Bundestag erleichtert Abschuss von Wölfen

von Redaktion

Über die Frage, wann ein Wolf geschossen werden darf, hat die Bundesregierung lange gestritten. Nun hat der Bundestag einen Kompromiss verabschiedet, der den Abschuss auffälliger Tiere erleichtert. Naturschützer halten das für ein falsches Zeichen. Für Tierhalter ist es nur ein erster Schritt.

VON DOMINIK GÖTTLER

München/Berlin – Mit einer Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes hat der Bundestag gestern Abend neue Regeln für den Umgang mit Wölfen beschlossen. Demnach dürfen die geschützten Raubtiere künftig weder gefüttert noch angelockt werden. Zudem wird ein Abschuss von sogenannten Problemwölfen künftig auch dann möglich sein, wenn unklar ist, welcher Wolf genau etwa für Risse in einer Schafsherde verantwortlich ist. Genehmigungen vorausgesetzt darf dann geschossen werden, bis es keine Angriffe mehr gibt – auch wenn dafür ein ganzes Rudel getötet werden muss.

Die neuen Regeln wurden mit den Stimmen von SPD und CDU verabschiedet. Man sorge für Klarheit beim Schutzstatus des Wolfes, betonten die Abgeordneten der Fraktionen. Kritik kam dagegen aus der Opposition. Während etwa die FDP den Beschluss als „Placebo-Gesetz“ bezeichnete und eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht forderte, halten die Grünen die Möglichkeit des Abschusses ganzer Rudel nicht mit europäischem Recht vereinbar.

Auch in Bayern ist das Echo auf die Entscheidung geteilt. Der Bund Naturschutz in Bayern lehnt das neue Gesetz klar ab. „Das bringt den Weidetierhaltern überhaupt nichts“, sagt Artenschutzreferent Uwe Friedel. „Ausgerechnet im Jahr des Artenschutzvolksbegehrens den Artenschutz abzuschwächen – das ist das falsche Signal an die Bevölkerung.“

Bayerns Schafhalter reagieren dagegen vorsichtig optimistisch. „Es geht in die richtige Richtung“, sagt Joseph Grasegger, Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Schafhalter. Dass er und seine Kollegen künftig schon bei „ernsten“ statt bei „erheblichen“ Schäden die Chance auf Entschädigung bei Wolfsrissen erhalten, helfe kleinen Haltern, die nicht ausschließlich von ihren Schafen leben. Und das sind in Bayern besonders viele. „Bei uns haben 90 Prozent aller Schafhalter weniger als 50 Mutterschafe“, sagt Grasegger, „und die Mehrheit davon sogar weniger als 20.“ Insgesamt werden in Bayern rund 260 000 Schafe gehalten. Grasegger fordert wie der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern jedoch weiterhin, dass der Wolf in Zukunft statt in Anhang IV in Anhang V der FFH-Richtlinie aufgenommen wird. Dort stehen etwa Tiere wie die Gams oder der Alpensteinbock. Sie dürfen bejagt werden, solange der „günstige Erhaltungszustand“ der Population erhalten bleibt. Dieser günstige Erhaltungszustand ist aber aus Sicht des Bundesumweltministeriums beim Wolf noch nicht erreicht. Derzeit leben nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz 105 Wolfsrudel in Deutschland. In Bayern sind aktuell vier Regionen mit standorttreuen Tieren oder Rudeln bekannt: der Nationalpark Bayerischer Wald, der Truppenübungsplatz Grafenwöhr, der Veldensteiner Forst und die Rhön.

Bei der Frage, ob der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden sollte, sind sich allerdings selbst die Jäger untereinander uneins. Während sich der Deutsche Jagdverband dafür ausspricht, ist der Bayerische Jagdverband dagegen. „Wir sehen doch am Beispiel des Bibers, dass eine Regulierung auch möglich ist, wenn eine Art nicht dem Jagdrecht unterliegt“, sagt Bayerns Jagdpräsident Thomas Schreder. Wichtig sei, dass die Jäger vor Ort im Fall einer Abschussgenehmigung erster Ansprechpartner sind. Eine solche Genehmigung können in Bayern nur die höheren Naturschutzbehörden an den Regierungen nach strengen Vorgaben erteilen. „In dieser Genehmigung wird auch festgelegt, wie und von wem die Entnahme durchgeführt wird“, heißt es aus dem Umweltministerium. Das seien „geeignete Jäger unter Einbindung der Jagdberechtigten“. Wie schwierig der Abschuss eines „Problemwolfs“ sein kann, hat jüngst ein Fall in Schleswig-Holstein gezeigt. Dort wurde Anfang des Jahres ein Tier nach 40 Rissen zum Abschuss freigegeben. Doch die Entnahme scheiterte Medienberichten zufolge auch daran, dass die ausgewählten Jäger, die den Wolf erlegen sollten, jederzeit per E-Mail erreichbar sein mussten – was offenbar dazu führte, dass sich kaum Freiwillige meldeten. Mittlerweile ist der Abschussbefehl aufgehoben. Denn der Problemwolf hat sich nach Mecklenburg-Vorpommern abgesetzt.

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