Die Notfallnummer für Weihnachtskrisen

von Redaktion

Die Weihnachtsfeiertage sind eine Zeit des Friedens, der Freude – und der persönlichen Krisen. Für diese seelischen Notfälle gibt es in Oberbayern einen telefonischen Krisendienst. Die meisten Anrufe gehen tatsächlich im Dezember ein.

VON NINA PRAUN

München – An den Weihnachtsfeiertagen sollen die Menschen entspannen, zur Ruhe kommen. Nur: Manchmal kann genau diese Ruhe Auslöser einer echten Krise werden. „Plötzlich hat man Zeit zum Nachdenken, dasbirgt Potenzial für Eskalationen“, sagt Amöna Woyde, Diplom-Sozialpädagogin und Gebietskoordinatorin für den Krisendienst Psychiatrie. „Im Alltagstrott gibt es eine große Ablenkung, da befasst man sich nicht mit den wesentlichen Dingen.“ Dann kommen die Ferien, die Feiertage, und so manchmal auch verdrängte Probleme auf – was in ausweglose Situationen führen kann.

Genau dafür wurde im Bezirk Oberbayern der Krisendienst Psychiatrie eingerichtet, seit dem 1. Juli ist er rund um die Uhr telefonisch erreichbar. „Für die körperlichen Vorfälle gibt es die 112, bei Straftaten die 110, und für seelische Krisen sind wir die Rettungsstelle“, erklärt Woyde. 2018 wurden hier 23 478 Anrufer betreut; im Dezember hatten mit 2133 Anrufen am meisten Menschen Hilfe gesucht. Dieses Jahr stiegen die Zahlen noch weiter, bis zum dritten Quartal hatten schon knapp 26 000 Menschen angerufen. Jeder einzelne Anruf wird von speziell geschulten Fachleute entgegen genommen, die den Betroffenen professionell helfen können.

Denn diese rufen in einer echten Notsituation an. Die Auslöser für die Krisen sind dabei vollkommen unterschiedlich. Mal ist es ein Streit mit der Partnerin oder den Schwiegereltern; Konflikte in der Familie. Mal ist der eigene Anspruch an das perfekte Fest zu hoch – da kann schon ein missratener Braten zu einem echten Dilemma werden. Andere trifft plötzlich die Erkenntnis, das seit Monaten etwas am Arbeitsplatz gründlich schief läuft. Oder aber das geliebte Haustier ist verstorben und der Besitzer bleibt einsam zurück. Im Grunde genommen kann alles, was Kraft kostet oder schmerzt, Auslöser sein: „Krisen sind so individuell wie subjektiv“, sagt Woyde. „Wir würden niemals vorschreiben, was man unter einer Krise zu verstehen hat.“

Deshalb ist es ihr auch wichtig, die Betroffenen dazu motivieren, so früh wie möglich anzurufen. „Wenn man in eine Krise kommt, soll man sie gar nicht erst bewerten, sondern einfach rechtzeitig anrufen“, so die Expertin. „Wir können uns dann gemeinsam ein Bild davon machen, wie dringlich die Situation ist.“ Die Fachleute am Telefon fragen den Anrufer zunächst, wie lange das Problem schon besteht, was genau passiert ist, wer involviert ist. Dann werden gewissen Gefährdungszustände abgefragt: Hat der Betroffenen Substanzen genommen, will er sich oder jemand anderem etwas antun? In manchen Fällen wird ein Kriseninterventionsteam aktiviert: Das fährt direkt zu dem Betroffenen, nach Hause, an die Arbeitsstelle, oder wo auch immer die Krise besteht. Ziel ist dabei, binnen einer Stunde da zu sein. „Vor Ort dauert es dann so lange, wie es dauert“, sagt die Sozialpädagogin. „Mal nur 15 Minuten, mal mehrere Stunden.“ In dringenden Fällen kann auch in eine Klinik übermittelt werden.

Doch einem Großteil der Anrufer ist schon mit dem Gespräch geholfen, laut Woyde etwa 70 Prozent. „Wir besprechen gemeinsam, was zu tun ist und machen zusammen einen Plan für den Tag“, sagt Woyde. „Dann sagen wir: Wenn noch einmal was ist, rufen Sie uns wieder an. Das reicht oft schon.“

Der Krisendienst

bietet unter 0180/655 3000 Menschen in Krisen, Mitbetroffenen und Angehörigen qualifizierte Beratung und Unterstützung an.

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