Morddrohungen und üble Beschimpfungen

von Redaktion

Ein Aktionsbündnis besonders aus kirchlichen Reihen will ein Rettungsschiff für Migranten ins Mittelmeer schicken. Landesbischof Bedford-Strohm erhielt deswegen Morddrohungen. Seenotretter von „Lifeline“ indes beschimpfen Österreichs designierten Kanzler Kurz als „Baby-Hitler“. Der Streit im Netz kocht hoch.

VON CHRISTIAN ANDRESEN

Augsburg – Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat wegen seines Engagements zur Entsendung eines Flüchtlingsschiffs ins Mittelmeer nach eigenen Angaben Morddrohungen erhalten. „Das war der Fall“, sagte der bayerische Landesbischof der „Augsburger Allgemeinen“. „Vor allem im Zusammenhang mit meinem Engagement in der Seenotrettung von Flüchtlingen habe ich recht konkrete Drohungen erhalten. Ich nehme sie nicht sehr ernst.“

Bedford-Strohm hatte die Initiative Anfang Dezember zusammen mit Mitstreitern vorgestellt. Das von der Kirche initiierte Aktionsbündnis „United4Rescue“ will demnächst selbst ein Schiff zur Rettung von Flüchtlingen ins Mittelmeer schicken. Bündnis-Sprecher Joachim Lenz sagte am Samstag, Morddrohungen gegen andere Beteiligte seien ihm nicht bekannt. „Aber Hass-Botschaften gibt es schon.“

Auch für den Münchner Erzbischof und Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte Sprecher Bernhard Kellner: „Wir nehmen wahr, dass sich die Drohungen und das Klima verschärft haben.“ Marx und Bedford-Strohm hatten erst Mitte Dezember bei einem ökumenischen Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom mahnende Worte an die Politik gerichtet.

Bedford-Strohm verteidigte die Pläne der EKD. „Das hat nichts mit politischem Aktivismus zu tun“, sagte er. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe sich das Thema eines europäischen Verteilmechanismus zu eigen gemacht. Das unterstütze er sehr. „Wir dürfen aber nicht tatenlos warten, bis sich Europa geeinigt hat, wir müssen jetzt handeln.“

Die Initiatoren des Bündnisses aus 150 Organisationen und Einzelbeteiligten wollen Ende Januar das Forschungsschiff „Poseidon“ vom Land Schleswig-Holstein ersteigern. Zuletzt sei es auf eine Million Euro geschätzt worden, hatte Bedford-Strohm gesagt. Alternativ wolle man ein anderes Schiff besorgen: Europaweit seien Seenotretter gebeten worden, sich nach einem geeigneten Schiff umzusehen.

Unterdessen hat die Migrantenrettungsorganisation Mission Lifeline nach eigenen Angaben bereits ein neues Schiff gekauft, wie sie am Sonntag an ihrem Sitz Dresden mitteilte. „Etwa zwei Drittel der Umbaukosten sind noch nicht gedeckt“, sagte der Gründer Axel Steier. Auf Twitter listete die Organisation konkrete Kosten über weit mehr als 100 000 Euro auf.

Mission Lifeline hat bisher zwei Schiffe durch Beschlagnahmung verloren, mit denen sie im Mittelmeer Migranten auf dem Weg nach Europa aufgenommen hatte. Im Berufungsprozess gegen den aus Landshut stammenden Kapitän der Organisation, Claus-Peter Reisch, wird nach deren Angaben heute in Malta das Urteil erwartet. Reisch wehrt sich gegen seine Verurteilung zu 10 000 Euro Geldstrafe – ihm wird vorgeworfen, ein nicht ordnungsgemäß registriertes Boot gesteuert zu haben.

Österreichs künftiger Kanzler Sebastian Kurz erneuerte seine Kritik an den Rettungsorganisationen. „Durch das Retten im Mittelmeer und ein direktes Ticket nach Europa machen sich immer mehr auf den Weg und immer mehr ertrinken dadurch“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Und so führt das Vorgehen der privaten Seenotretter am Ende zu mehr Toten.“ Mission Lifeline nannte ihn daraufhin auf Twitter einen „Baby-Hitler“ und „rechtsextrem“. Beide Äußerungen lassen die Emotionen im Netz hochkochen.

Die Bayern-SPD, die Lifeline grundsätzlich unterstützt, distanzierte sich von der Wortwahl: „Der Tweet ist völlig daneben. Seenotrettung ist viel zu wichtig und wertvoll, als dass sie das geistige Debattenniveau ihrer Gegner vom äußeren Rand übernehmen dürfte. Die sachlichen Argumente der Seenotrettung sind so stark, dass Polemiken unnötig und unangebracht sind. Verunglimpfungen wie hier sind es generell“, sagte Landtags-Vize-Präsident Markus Rinderspacher (SPD) auf Nachfrage.

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