Darum geht’s im Nitrat-Streit

von Redaktion

Die Nitratbelastung im Grundwasser ist der große Zankapfel zwischen Wasserversorgern und Landwirten – und der Grund für die geplante Verschärfung der Düngeverordnung. Bayerns Umweltminister erklärt, wie die Messwerte zustande kommen und wo er nachbessern will.

VON DOMINIK GÖTTLER

München – Seit Wochen steigen tausende Landwirte auf ihre Traktoren, um gegen die erneute Verschärfung der Düngemittelverordnung zu protestieren. Der Vorwurf, der bei den Kundgebungen immer wieder laut wird: Vorgaben wie eine pauschale Dünger-Reduzierung um 20 Prozent seien praxisfern und die Messungen des Grundwassers zu ungenau. Wegen der anhaltenden Nitratbelastung drohen Deutschland nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Strafzahlungen in Höhe von bis zu 800 000 Euro pro Tag. Was ist dran an den Vorwürfen? Und wie wird der Zustand des Grundwassers gemessen? Ein Überblick.

. Das EU-Nitratmessnetz

Es gibt mehrere Messnetze zur Qualität des Grundwassers. Wichtig für den aktuellen Streit ist das EU-Nitratmessnetz mit 697 Messstellen in ganz Deutschland, davon rund 130 in Bayern. Diese Werte meldet Deutschland an die EU-Kommission, die Ergebnisse sind Grundlage des EU-Nitratberichtes, der alle vier Jahre veröffentlicht wird. Die Messstellen wurden so ausgewählt, dass sie „die landwirtschaftliche Nutzungen repräsentativ abbilden“, wie das bayerische Umweltministerium auf Nachfrage mitteilt. Der Vorwurf aus der Landwirtschaft: Es werden nur die schlechten Werte nach Brüssel gemeldet. Richtig ist: Bis zum Jahr 2016 wurde für den Bericht an die EU ein Netz mit lediglich 162 Messstellen verwendet, die alle an Orten lagen, wo von einer erhöhten Grundwasserbelastung auszugehen war. Kein Wunder also, dass dabei hohe Nitratwerte festgestellt wurden. An etwa der Hälfte der Messstellen wurde laut dem Nitratbericht von 2012 der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser überschritten. Die EU-Kommission kritisierte daraufhin die niedrige Zahl der Messstellen – und der Bund stockte diese von 162 auf 697 auf. „Seitdem wird repräsentativer gemeldet“, betont Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW). Laut dem letzten Nitratbericht (Stand 2016) wird der Nitrat-Grenzwert immer noch bei knapp einem Drittel der Messstellen überschritten. Der nächste Bericht soll heuer veröffentlicht werden.

. Die roten Gebiete

Vor zwei Jahren urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Deutschland zu wenig gegen die Nitratbelastung im Grundwasser unternehme – und bezog sich dabei auf einen Stichtag im Jahr 2014. Schon vor dem Urteil hatte der Bund reagiert und die Länder verpflichtet, rote Gebiete festzulegen, in denen für Landwirte zusätzliche Auflagen bei der Düngung gelten. Für die Festlegung dieser Gebiete ist allerdings nicht das EU-Nitratmessnetz ausschlaggebend, sondern das deutlich dichtere Messnetz der Wasserrahmenrichtlinie. So werden in Bayern die Ergebnisse von 594 Messstellen herangezogen, deutschlandweit sind es rund 6600. Als rotes Gebiet gelten nun Regionen, in denen ein Grundwasserkörper (davon gibt es 256 in Bayern) auf mehr als 20 Prozent der Fläche den Grenzwert überschreitet. In Bayern ist das vor allem in Teilen Frankens und in einem Streifen von Augsburg über den Norden Oberbayerns bis Straubing der Fall. Der Vorwurf, dass der Freistaat hier strenger vorgehe als andere Bundesländer, stimme nicht, betont Glauber. Strittig ist aber weiter, ob das Bild, das diese Messstellen liefern, genau genug ist.

. Was soll geändert werden?

Glauber will das Wasserrahmenrichtlinien-Netz deutlich erweitern. „Wir wollen genauer werden und deswegen die Zahl der Messstellen mindestens verdoppeln.“ Für eine Überprüfung des Netzes sprach sich gestern auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer aus. Dafür können etwa bereits bestehende Messstellen der kommunalen Wasserversorger miteinbezogen werden (davon gibt es in Bayern rund 9700). Aber auch neu errichtete Messstellen kämen in Betracht, so Glauber. Die Hoffnung der Bauern: Mit dieser sogenannten Binnendifferenzierung könnten die roten Gebiete schrumpfen. Nämlich dann, wenn sich herausstellt, dass die Wasserqualität nicht in der gesamten Region gleich schlecht ist, wie bisher pauschal angenommen. Genauso könnten vereinzelt aber weitere kleine rote Gebiete hinzukommen.

Neben den Änderungen am Messnetz will sich die Staatsregierung unter anderem dafür einsetzen, dass in der neuen Düngeverordnung der Anbau von Zwischenfrüchten nicht unterbunden wird – eine weitere zentrale Forderung der Bauern. Gleichzeitig pocht Glauber aber auf Hilfe aus der Landwirtschaft – und zwar, wenn es darum geht, überschüssigen Stickstoff in den Griff zu bekommen. Bei allem Entgegenkommen müsse klar sein: „Sauberes Grundwasser hat oberste Priorität!“

Artikel 6 von 11