München – Die Szene lässt einen nur mit dem Kopf schütteln: Ein Skitourengeher gerät bei seiner Abfahrt im Tiroler Skigebiet Rangger Köpfl mit einem Pistenraupenfahrer aneinander. Der Fahrer will den Tourengeher nur auf die Gefahr hinweisen. Denn da es bereits dunkel ist, präpariert der Raupenfahrer die Piste für den nächsten Tag. Seine Raupe hängt an einer Winde, das Stahlseil ist noch nicht gespannt. Der Tourengeher ist uneinsichtig: Statt einem Dank erhält der Raupenfahrer einen Kinnhaken. Nur knapp verfehlt er mit seinem Stock das Gesicht des Fahrers. Erst nach weiteren Schlagversuchen beruhigt sich der Mann.
So geschehen am vergangenen Freitagabend. Der Vorfall wurde gefilmt und sorgte für Aufsehen in den sozialen Medien. Dass es mit Skitourengehern zu Auseinandersetzungen kommt, ist nicht neu. „Diskussionen zwischen Tourengehern und Pistenraupenfahrern gibt es auch bei uns immer wieder“, sagt Peter Lorenz, Liftbetreiber am Brauneck. Handgreiflich sei aber noch niemand geworden.
Es gibt zwei Situationen, bei denen Pistengeher anderen in die Quere kommen können. Tagsüber, wenn sie Pisten hinaufgehen, die hunderte Skifahrer hinabfahren. Und nachts, wenn sie auf gesperrten Pisten unterwegs sind. Vor allem wenn Pistenraupen mit Seilwinden die Pisten präparieren, bringen sich die Tourengeher selbst in Gefahr. „Kollidiert ein Abfahrer mit einem gespannten Stahlseil, kann das tödlich enden“, sagt Antonia Asenstorfer, Sprecherin von Alpen Plus.
In Österreich hat nach dem Vorfall eine Debatte begonnen. Es gibt Forderungen nach Sicherheitsdiensten auf der Piste und hohen Strafen für Tourengeher, die sich nicht an die Regeln halten. In Bayern geht es so weit noch nicht, wie ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage bestätigt. Mehr, als auf Sperrungen hinzuweisen und an die Vernunft der Wintersportler zu appellieren, bleibt den Liftbetreibern nicht übrig. Rechtlich kann das Skitourengehen auf Pisten in Deutschland nicht verboten werden. Laut Asenstorfer liegt das am Betretungsrecht der freien Natur. Nachts ist die Situation anders. Da ist die Piste gesperrt, betont Liftbetreiber Lorenz.
Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV), gibt allerdings zu bedenken, dass es im Gebirge keine Polizei gebe, die sofort kommen könnte, sollten sich Tourengeher nicht an die Regeln halten. Peter Lorenz fordert, dass Polizisten nachts im Tal auf die Tourengeher warten, die trotz Verbot auf den Pisten unterwegs sind. Der DAV hat mit Behörden, Verbänden, Bergbahnen und den zuständigen bayerischen Ministerien zehn Verhaltensregeln für Skitourengeher aufgestellt. Solche gibt es auch für die Skifahrer. „Das sind Dinge, die sofort einleuchten“, sagt der Sprecher. Halten sich alle daran, sollte es zu keinen Problemen kommen.
Dennoch wird das Thema brisant bleiben, denn die Zahl der Tourengeher steigt kontinuierlich. Laut Umfragen und Schätzungen des DAV gibt es in Deutschland rund 600 000 Skitourengeher. Diese Zahl habe sich in den vergangenen 15 Jahren in etwa verdreifacht. Bucher spricht aufgrund der steigenden Zahlen von einem Umbruch. Viele Liftbetreiber wie beispielsweise Alpen Plus, die Bayerische Zugspitzbahn, Hörnle und Kolbensattel bieten für Tourengeher mittlerweile besondere Angebote an, darunter extra Aufstiegsrouten und regelmäßige Skitourenabende. Alle Beteiligten seien für die große Anzahl noch nicht vorbereitet, sagt Bucher. „Das wird in zehn Jahren anders sein.“