Flüchtling streitet mit Freistaat

von Redaktion

Anwältin half Analphabet bei Antrag

München – Mehr als vier Monate saß ein Flüchtling aus Mauretanien zu Unrecht wegen einer angeblichen Messerattacke in Untersuchungshaft. Bei seinem Freispruch im Dezember 2018 bekam er eine Haftentschädigung von 25 Euro pro Tag zugesprochen. Beim Antrag half ihm seine Verteidigerin, weil er an einer Intelligenzminderung leidet und Analphabet ist. Doch der Freistaat Bayern will ihm die Kosten für die Anwältin nicht bezahlen. Denn es sei ein ganz einfacher Antrag gewesen.

Nun ist ein Rechtsstreit über den Fall entbrannt. Der Mauretanier verklagt den Freistaat vor dem Landgericht München I auf die rund 400 Euro, die seine Anwältin für das Ausfüllen des Antrags in Rechnung gestellt hat. Er selbst war am Mittwoch nicht bei der Verhandlung im Münchner Justizpalast. Doch seine Anwältin Susanne Hartlage fand deutliche Worte für das Verhalten des Freistaats: „Schäbig ist das.“

„Wir sind davon ausgegangen, dass es ein ganz einfacher, klarer Fall ist“, sagte der Anwalt des Freistaats, Michael Then. Für den Antrag auf Haftentschädigung brauche es keinen Anwalt.

Hartlage widersprach. Der 23-Jährige habe den Antrag nicht ohne Hilfe stellen können. „Dafür müssen Sie lesen und schreiben können“, sagte sie. Außerdem könne der Mann nur wenig Deutsch.

Das Landgericht schlug sich auf die Seite des Flüchtlings. Prinzipiell könne man den Antrag schon allein ausfüllen, erklärte der Vorsitzende Richter Frank Tholl. In diesem Fall aber sei ein Anwalt nötig. Der Antragsteller sei nämlich „nicht ausreichend geschäftsgewandt“. Auch den Einwand des Freistaats, der Mauretanier stehe nicht unter Betreuung, ließ Tholl nicht gelten: „Das ist nicht nötig.“ Die Anwältin des jungen Mannes muss nun noch ein jugendpsychiatrisches Gutachten bei Gericht einreichen. Dieses fällt dann im März ein Urteil.

Der Mauretanier ist in Deutschland immer fleißig in die Schule gegangen und hat laut Zeugnis gut mitgewirkt. Wegen seiner Intelligenzminderung ist es ihm aber nicht möglich, lesen und schreiben zu lernen. NINA GUT

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