Vaterstetten – Helga Steinberger ist 66 Jahre alt, ihr Mann Robert, ein Alzheimer-Patient, 74 und ihre Mutter Emma Eglseer stolze 96. Sie wohnen zusammen in Vaterstetten. In der 22 000-Einwohner-Kommune bewerben sie sich bei der Kommunalwahl am 15. März für die AfD um einen Sitz im Gemeinderat. Helga Steinberger auf Platz 7, ihr Mann Robert auf Platz 21 und Mutter Emma auf Platz 22. Zudem kandidiert das Trio auf den Plätzen 20, 35 und 36 für den Ebersberger Kreistag – ebenfalls für die AfD.
„Wir sind übertölpelt worden“, sagt Helga Steinberger, das sei abgelaufen wie bei einem Haustürgeschäft. Jetzt stehe ihr Telefon nicht mehr still. Freunde, Verwandte, Bekannte riefen an und wunderten sich über „unsere Namen bei der Nazi-Partei“. Nie habe sich jemand in ihrer Familie um ein politisches Mandat bewerben wollen, sagt die Kinderkrankenschwester, die im Ort ziemlich bekannt ist.
Wie die Namen auf die Listen kamen, schildert Helga Steinberger so: Manfred Schmidt (82), örtlicher AfD-Gemeinderat, sei Ende vergangenen Jahres vorbeigekommen und habe um Unterstützung gebeten. Er habe dem Ehepaar und der Mutter Zettel vorgelegt und sie um eine Unterschrift gebeten, damit er seine kommunalpolitische Arbeit fortsetzen könne, erinnert sich die 66-Jährige, den Parteinamen AfD habe er nicht genannt.
Jetzt muss man wissen, dass Schmidt vor Jahren eine Freie Bürger Union (FBU) gegründet hatte und für diese lange im Gemeinderat saß. Erst zur vergangenen Kommunalwahl 2014 fusionierte die FBU mit der AfD. Mittlerweile ist die FBU mausetot, was das Ehepaar Steinberger und Emma Eglseer nicht wussten. Schmidt habe von den „Freien“ gesprochen, bis sie schließlich unterschrieben hatten. „Ich weiß, dass man nichts unterschreiben soll, bevor man es ganz gelesen hat“, sagt Helga Steinberger selbstkritisch. Das ändere aber nichts daran, dass sie sich vom AfD-Mann ebenso übergangen fühle wie ihr kranker Mann und ihre alte Mutter, die Schmidt von gemeinsamen Ausflügen kennt. Der ist nämlich auch Vorsitzender der Manfred-und-Ute-Schmidt-Sozialstiftung, die sich um alte Leute in Vaterstetten kümmert.
Schmidt selbst kandidiert auf Platz 3 der AfD der Gemeinderatsliste. Für den Kreistag ist er Spitzenkandidat. Die Vorwürfe weist er mit Vehemenz zurück. Sie seien „völlig aus der Luft gegriffen“. Er habe bei seinen Kandidaten-Werbetouren stets klar zu erkennen gegeben, dass es sich um die AfD handele. Auf die Frage, ob er denn keine Skrupel hatte, eine 96-jährige Frau für eine Kandidatur zu gewinnen, sagt der ehemalige Oberverwaltungsrat: „Nein. Die alten Menschen haben ein Recht darauf, bis zum letzten Atemzug mitzugestalten und nicht nur verwaltet zu werden.“ Schmidt gesteht ein, dass es wegen der „Dämonisierung der AfD durch die Presse“ nicht leicht gewesen sei, Kandidaten zu finden.
Von unlauteren Methoden will er aber nichts wissen. Er habe immer gesagt: „Lesen Sie sich’s nochmal durch, bevor sie unterschreiben.“ Das haben außer den Steinbergers und Emma Eglseer offensichtlich auch noch andere Kandidaten nicht getan. Denn einige zogen ihre Bewerbung auf der Gemeinderatsliste wieder zurück, sagte Vaterstettens Wahlleiterin Claudia Bitzer. Auf der Kreistagsliste gab es sogar einen regelrechte Fluchtbewegung – 14 von 60 Kandidaten wollten dann doch nicht, wie eine Nachfrage bei Kreiswahlleiter Andreas Wenzel ergab. Bis zum 23. Januar war das fristgerecht problemlos möglich. Jetzt geht es nicht mehr.
Helga und Robert Steinberger sowie Emma Eglseer müssen für die AfD antreten. Doch ihnen bleibt eine Hintertür. Sollten sie quasi unfreiwillig einen Platz im Gemeinderat oder Kreistag ergattern, können sie die Wahl ablehnen.
Der AfD-Werber bestreitet die Vorwürfe