Beleidigt, bedroht und attackiert

von Redaktion

Der Bayerische Städtetag schlägt Alarm: Eine Umfrage unter Bürgermeistern ergab, dass für viele Beleidigungen und Bedrohungen zum Alltag gehören. Die Entwicklung sei sehr besorgniserregend.

VON CLAUDIA SCHURI

München – Was er im Dezember vergangenen Jahres erlebt hat, traf Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) völlig unerwartet: Vor allem im Internet wurden er und seine Mitarbeiter massiv beleidigt und bedroht. „Es ging bis zu Todesdrohungen“, berichtet er. „Irgendwann haben wir aufgehört, das zu lesen.“ Hintergrund war, dass in Augsburg ein Feuerwehrmann von einer Gruppe junger Männer mit Migrationshintergrund totgeprügelt worden war. Gribl kondolierte, wollte die Tat aber noch nicht einordnen, sondern erst die Ermittlungsergebnisse abwarten. Es gab einen Sturm der Entrüstung. „Meiner Meinung nach war das organisiert“, sagt er. „Posts kamen bis aus Schleswig-Holstein und Ungarn. Ein Dialog war nicht möglich.“ Die Stadt erstattete Anzeigen, die Verfahren laufen.

Gribls Erfahrungen sind kein Einzelfall. Der Bayerische Städtetag, dessen Vorsitzender er ist, hat jetzt die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Bürgermeistern vorgestellt. Von den 298 Städtetags-Mitgliedern beteiligte sich rund ein Viertel daran. „Die Situation ist bedenklich“, erklärt Gribl. Die Gewalt- und Aggressionsbereitschaft habe sich „in den letzten drei bis fünf Jahren entfesselt“, beklagt er.

In der Befragung gaben vier von fünf Bürgermeistern an, schon einmal anonym schriftlich beleidigt worden zu sein. Beleidigungen im persönlichen Kontakt erlebten 65 Prozent. 44 Prozent wurden zudem anonym auf Papier oder per E-Mail sowie 28 Prozent anonym in sozialen Netzwerken bedroht. Fast jeder fünfte Bürgermeister (19 Prozent) berichtete außerdem von Todesdrohungen. Körperliche Übergriffe schilderten zwölf Prozent.

Auch Behördenmitarbeiter hätten zunehmend mit Übergriffen und Respektlosigkeiten zu kämpfen, sagt Kurt Gribl. „In vielen staatlichen Verwaltungen werden die Sicherheitskonzepte überprüft und verstärkt.“

Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Bei Beleidigungen erstatteten über 60 Prozent und bei Bedrohungen über 50 Prozent der betroffenen Bürgermeister keine Anzeige. „Vielen ist es unangenehm darüber zu sprechen“, sagt Gribl. Ein Fehler, findet er: „Wir appellieren an unsere Mitglieder, jeden Fall anzuzeigen. So ein Verhalten darf nicht hoffähig werden.“

Der Städtetag hofft, dass über ein vereinfachtes Online-Verfahren, das in Bayern geplant ist, die Straftaten häufiger gemeldet werden. Auch die Einrichtung von festen Ansprechpartnern bei der Staatsanwaltschaft und die Ernennung des neuen Hate-Speech-Beauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft München begrüßt er. „Richtig ist auch, dass für die Nachverfolgung ein öffentliches Interesse befürwortet wird“, sagt Gribl. Verfahrenseinstellungen wären dann seltener.

Bei der Verfolgung von Beleidigungen und Bedrohungen gibt es aber oft ein grundsätzliches Problem: „Vieles passiert in der Anonymität des Internets“, erläutert Gribl. Abhilfe könnte hier vermutlich nur eine Änderung von Bundesgesetzen schaffen. Und: „Es braucht politische Bildung, um Kompetenz zu vermitteln im Umgang mit sozialen Medien“, fordert er.

Er tritt bei den Kommunalwahlen nicht mehr als Oberbürgermeisterkandidat für Augsburg an. Die Erfahrungen im vergangenen Dezember hätten bei der Entscheidung keine Rolle gespielt, betont er. Trotzdem ist sein Ärger noch immer groß: „Zum Amt gehört es nicht, Beleidigungen und Hetze aushalten zu müssen.“

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