München – Das Lindauer Jagdhornbläserkorps sollte in zwei Wochen eigentlich den Startschuss für eine neue Ära im Bayerischen Jagdverband geben. Doch noch bangen Bayerns Jäger darum, ob ihre Landesversammlung am 28. März in Lindau überhaupt stattfinden kann. „Ich telefoniere derzeit täglich mit den Behörden vor Ort“, sagt Interims-Präsident Thomas Schreder, der bei der Wahl für den Nachfolger des langjährigen Präsidenten Jürgen Vocke gegen Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert antreten will. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus steht die Landesversammlung der Jäger auf der Kippe.
Denn bei der Landesversammlung rechnen die Veranstalter mit mehreren hundert Besuchern: Neben den Delegierten der bayernweit rund 160 Kreisgruppen und weiteren interessierten Jägern werden viele Besucher an einem geplanten Genussmarkt erwartet, dazu Journalisten und nicht zuletzt die 150 Jagdhornbläser. Schreder rechnet mit mindestens 600 Besuchern, vielleicht auch mehr. Nun prüfen die Behörden vor Ort, ob die hohe Besucherzahl angesichts der Corona-Lage vertretbar ist. Am Montag soll die Entscheidung fallen.
Sollte die Landesversammlung stattfinden, wird die Teilnehmer zwangsläufig auch das noch laufende Ermittlungsverfahren gegen Jürgen Vocke beschäftigen. Der Ebersberger stand dem Verband 25 Jahre vor, bis er Mitte Oktober erklärte, seine Ämter ruhen zu lassen. Zuvor hatte ihn ein Präsidiumsmitglied angezeigt, gegen ihn wird wegen des Verdachts der Untreue und der Unterschlagung ermittelt.
Ursprünglich stand dabei eine mögliche Schadenssumme von bis zu 450 000 Euro im Raum. Doch davon scheint nach aktuellem Stand nicht mehr viel übrig zu bleiben. Der Betrag schrumpfte im Zuge der Ermittlungen auf unter 2000 Euro. Laut Unterlagen, die unserer Zeitung vorliegen, kommt die Kripo nach der Befragung von Zeugen und Auswertung von Dokumenten auf 1769,20 Euro, die der Bayerische Jagdverband an privaten Kosten von Vocke übernommen hat. Die umstrittene jährliche Aufwandspauschale von knapp 60 000 Euro für Vocke könnte dagegen satzungskonform sein – auch wenn fraglich sei, ob eine derart hohe Vergütung wirklich zu einem Ehrenamt passe.
„Wir sind meilenweit von dem entfernt, was ihm vorgeworfen wurde“, sagt Vockes Anwalt Richard Beyer. Aus seiner Sicht ist selbst bei den verbleibenden Posten unklar, ob sie strafrechtlich relevant seien. Es handelt sich dabei um Kosten für eine Geburtstagsfeier für Vocke, für die Unterbringung seines Dackels in einer Hundepension und für einen Telefonanschluss in Vockes Ferienhaus. Die Geburtstagsparty sei eine Überraschung gewesen, der Dackel während Verbandsreisen untergebracht und der Telefonanschluss für Verbandskorrespondenz eingerichtet worden, betont Beyer. Er spricht von einer Hexenjagd und schießt gegen Vockes Kritiker mit den Worten: „Sie zogen aus mit bunten Wimpeln und kehrten heim mit wunden Pimpeln.“ Wann das Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden kann, liegt laut Staatsanwaltschaft nun an den Verteidigern, denen derzeit die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird.
Unabhängig von den strafrechtlichen Ermittlungen hat das Präsidium des Jagdverbands einstimmig beschlossen, Geld von Jürgen Vocke zurückzufordern. Ein Wirtschaftsprüfer kam dabei auf einen Betrag, der zwischen 16 000 und 48 000 Euro liegen könnte. Ob sich diese Forderung angesichts der strafrechtlichen Ermittlungen aufrechterhalten lässt, ist ebenso unsicher wie die anstehende Landesversammlung.