München/Pliening – Acht Seiten umfasst das Schreiben, das Kultusminister Michael Piazolo (FW) mit Datum 7. April an die pensionierten Lehrer geschickt hat. Zunächst hagelt es Lob: Viele Jahre, so der Minister, habe der Lehrer ja „mit viel Einsatz und Engagement (…) zahlreiche Schülergenerationen im besten Sinne mitgeprägt“ und befinde sich nun im „verdienten Ruhestand“. Aufgrund fehlender Lehrer an den Grund-, Mittel- und Förderschulen wolle er aber bitten, „über eine vorübergehende Rückkehr in den Schuldienst nachzudenken“. Einsatzort könne die ehemalige Schule sein, aber auch andere Schulen. Auch über die Zahl der Stunden pro Woche könne noch geredet werden. Er könne sich denken, so Piazolo abschließend, „dass ein Wiedereinstieg in den Schuldienst bisher höchstwahrscheinlich nicht zu den dringendsten Plänen für Ihren Ruhestand zählte“, bitte jedoch, über eine Rückkehr trotzdem nachzudenken.
Dem folgt ein Merkblatt zur Beschäftigung als Ruhestandsbeamter und ein Formular, in dem der Lehrer seine gewünschten Einsatzzeiten eintragen kann. Die Corona-Pandemie wird mit keinem Wort erwähnt.
Lehrer Peter Bachmeier ist einer von wohl unzähligen Lehrern, der Piazolos Brief bekommen hat. Bachmeier, heute 65, war bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren Rektor der Grundschule in Pliening (Kreis Ebersberg). Vom Werbebrief des Ministers hält er kurzgesagt: nichts. So viel Lorbeer sei ihm zwar in seinen mehr als 40 Dienstjahren nie untergekommen. Aber ein Werbebrief für pensionierte Lehrer mitten in der Corona-Krise sei völlig verfehlt. „Ich gehöre ja offiziell zur Risikogruppe“, sagt Bachmeier. „Ich darf ja momentan nicht mal meinen Enkel unterrichten.“
Die Werbekampagne des Ministeriums an sich ist nicht neu. Schon vor Ausbrechen der Corona-Krise, im Februar, berichtete unsere Zeitung über eine ganz ähnliche Werbekampagne. Weil das Ministerium nach dem bisherigen Stand mit 1400 fehlenden Lehrern im kommenden Schuljahr 2020/21 rechnete, wurden damals die Schulämter angewiesen, pensionierte Lehrer anzuschreiben – offenbar mit mäßigem Erfolg, denn jetzt wiederholte der Kultusminister diese Werbeaktion und setzte höchstpersönlich seine Unterschrift drunter. Der Erfolg dürfte auch diesmal überschaubar sein – es häufen sich Berichte über entsetzte Lehrer, die in Corona-Zeiten keinesfalls zurück in die Schulen wollen. Angeblich sollen sogar schon bereits verstorbene Lehrer angeschrieben worden sein. „Wo bleibt die Fürsorgepflicht des Kultusministeriums“, fragt entsetzt auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Das Ministerium betont, es handele sich ja nur um ein Angebot. „Ein möglicher Einsatz im Schuldienst muss daher (…) selbstverständlich unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes erfolgen.“
Ex-Rektor Peter Bachmeier hat indes auch eine Randbemerkung auf dem beigefügten Merkblatt geärgert. Denn die Pensionäre sollen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis beilegen – Kostenersatz könne dann bei den Bezirksregierungen erbeten werden. „Da bekomme ich doch einen Lachanfall“, sagt Bachmeier.