München – Seit 37 Jahren ist Erhard Weimer Fahrschullehrer, seit 30 Jahren hat er in Neufahrn (Landkreis Freising) eine eigene Fahrschule. „Ich habe auch schon schwierige Zeiten erlebt“, sagt er. „Aber dass ich seit sechs Wochen zum Nichtstun verdammt bin, dass hätte ich mir nie träumen lassen.“ Seine beiden Fahrlehrer musste der 59-Jährige in Kurzarbeit schicken. Er selbst hat Soforthilfe beantragt, und vergangene Woche auch bekommen. „Aber das reicht nicht zum Überleben“, sagt er.
Udo Wagner hat die Hilfe ebenfalls beantragt. Angekommen sei sie aber noch nicht, sagt er. Der Unternehmer hat in Ottobrunn und Unterhaching (Landkreis München) zwei Fahrschulen mit insgesamt 16 Mitarbeitern. Auch die sind seit April in Kurzarbeit. „Das ging leider nicht anders“, sagt er. Er selbst überlege gerade, einen KfW-Kredit zu beantragen. „Ich habe Kosten für Mieten, Versicherungen und Leasing, das läuft ja alles weiter“, sagt der 57-Jährige.
Mitte März mussten die Fahrschulen in Bayern schließen. Als „sehr, sehr ernst“ beschreibt Jürgen Kopp, Vorstand des Landesverbands Bayerischer Fahrlehrer (LBF), jetzt die Situation der rund 3000 Fahrschulen in Bayern. „Noch halten die meisten Fahrschulen durch, aber wenn der Stillstand noch länger dauert, sind Existenzen bedroht.“ Umso schlimmer sei es, sagt Kopp, dass es von politischer Seite keinerlei Ansagen gebe, wie es für die Branche weitergehen soll. „Da wird über den Einzelhandel verhandelt, über Friseure und die Gastronomie, aber von den Fahrschulen spricht keiner“, kritisiert er. Es gebe auch keine Richtlinien, anhand derer eine Wiederinbetriebnahme in Aussicht gestellt würde. „Unsere Branche“, fordert Kopp, „braucht jetzt eine Perspektive.“
Erreicht wurde immerhin, dass die Fristen für die Fahrschüler verlängert wurden. Sie haben nach der theoretischen Prüfung nun eineinhalb Jahre statt nur einem Jahr Zeit, die praktische Prüfung abzulegen. „Das ist richtig und gut“, sagt Kopp. „Aber es löst das Problem der Schulen nicht.“ Der Verband arbeitet deshalb fieberhaft an einer Exit-Strategie.
Mitte April schickte Kopp einen Brief an das bayerische Wirtschaftsministerium, in dem er das Konzept erläuterte. Dazu gehören Hygiene-Maßnahmen, reduzierte Lerngruppengrößen, Maskenpflicht für Lehrer und Schüler sowie die Aufzeichnung jedweden Kontakts, um die Rückverfolgung von Infektionsketten zu gewährleisten. „Ich habe bis heute vom Ministerium keine Antwort erhalten.“
Auch der Bundesverband deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU) hat Vorschläge unterbreitet, wie Fahrschulen in Corona-Zeiten arbeiten könnten. Eine mögliche Maßnahme sei eine Plexiglasscheibe im Fahrzeug, die aber so beschaffen sein müsste, dass der Lehrer noch ins Lenkrad greifen könnte, erklärte der BDFU. „Total irre“ sei dieser Vorschlag, sagt Fahrschul-Chef Wagner. „Ich möchte nicht wissen, was los ist, wenn ein Fahrzeug mit so einer Scheibe einen Unfall hat.“ Auch der LBF winkt ab. „Das halten wir für nicht praktikabel“, sagt Kopp. Er ringt um andere Lösungen. Vorstellbar im Auto sei ein visierähnlicher Plastik-Gesichtsschutz, sagt er.
Eine weitere Idee kommt direkt aus den Reihen einiger bayerischer Fahrschulunternehmen. Man könne doch, so der Vorschlag, wenigstens die Schulung von Motorrad- und Lkw-Schülern möglich machen. Der Freisinger Erhard Weimer ist dafür und ebenso der Weilheimer Fahrschulunternehmer Christoph Staltmayr. „Wenn wir über schrittweise Lockerungen diskutieren, wäre das der ideale Weg“, sagt der 43-Jährige. „In beiden Fällen lassen sich die Abstandsregeln leicht einhalten.“ Zumal die meisten Schulen neben dem Pkw zumindest auch auf dem Motorrad ausbildeten. Verbandschef Kopp will sich auf diese Diskussion jedoch nicht einlassen. „Niemand soll bevorteilt, niemand benachteiligt werden“, sagt er. „Wir kämpfen für eine zeitlich einheitliche Lösung für alle Fahrschulen.“
Diese würden sich – auch ohne Richtlinien – jetzt schon darauf vorbereiten, ihren Betrieb wieder aufnehmen zu können. Staltmayr hat seine drei Filialen mit Desinfektionsspendern und Plexiglasscheiben für Lehrerpult und Anmeldung ausgerüstet. „Wir arbeiten seit zwei Wochen jeden Tag daran, wieder aufmachen zu dürfen“, sagt der Weilheimer Unternehmer.
Auch Erhard Weimer hat sich bereits um Masken und Desinfektionsmittel gekümmert. „In der Schule hängen auch schon die Plakate zu den Verhaltensregeln“, sagt Weimer. Die Fahrschulunternehmer möchten so bald wie möglich wieder öffnen. Da ist auch Udo Wagner keine Ausnahme. Dennoch mahnt er zur Geduld. Er gibt zu bedenken, dass auch viele Fahrlehrer aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe gehörten. „Gesundheit ist das Wichtigste.“