Seit Corona herrscht auch auf Bayerns Feldern Notstand. Das Gemüse wächst zwar, will aber auch geerntet werden. Und der Hopfen will gesetzt werden, damit es in Bayern weiterhin Bier gibt. Viele Bayern, die derzeit in Kurzarbeit sind, bieten sich als Helfer an. Die Plattform „Das Land hilft“ der Maschinenringe Deutschland bringt Helfer und Landwirte zusammen. Andere knüpfen selber den Kontakt. Wir stellen heute vier dieser Erntehelfer vor.
Spargel statt Cocktail
Eigentlich mixt Andreas Hofner Cocktails in der „Boilerman Bar“ im Münchner 25hours-Hotel. Doch dort darf wegen Corona derzeit niemand seine Kreationen schlürfen. Der Fürstenfeldbrucker, 31, ist in Kurzarbeit. Und weil ihm zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen wäre, hat er sich entschieden, zu helfen. „Ich habe mir gedacht, bei der Landwirtschaft brennt’s, also packe ich mit an.“ Über einen Bekannten ist der Kontakt zum Spargelhof der Familie Wolf in Ebersried (Kreis Dachau) zustande gekommen. Dort ist er seit einigen Tagen als Erntehelfer im Einsatz.
Spargelstechen oder Erdbeeren pflanzen, jeden Tag wartet etwas anderes. „Ich arbeite gerne, da ist das eine schöne Abwechslung“, sagt Hofner. „Ums Geld geht es dabei gar nicht so sehr.“ Handwerklich arbeiten an der frischen Luft, das liege ihm, sagt er, auch wenn das Spargelstechen anstrengend ist. „Das geht schon aufs Kreuz! Aber es ist nicht so schlimm, wie manche sagen. Mir macht es Spaß. Und das Wetter hat bislang ja auch mitgespielt.“ Bereut hat er seine Entscheidung nicht. „Bevor ich zu Hause versauere, helfe ich lieber denen, die es gerade brauchen können.“ D. GÖTTLER
Tomaten statt Haare
Slavenka Vidovic schneidet eigentlich Haare: Die 47-jährige Friseurmeisterin ist Geschäftsführerin des Herrensalons Kirchheiss in Poing im Kreis Ebersberg. Seit Anfang April schneidet sie Tomaten von Sträuchern, stutzt Blätter und Zweige der Stauden in den Gewächshäusern der Gärtnerei Böck im Nachbarort Neufahrn. „Es macht total Spaß“, sagt sie: „Wir machen das komplette Pflegeprogramm.“ Plus Kisten voller Tomaten stapeln. Ihre Tochter Cheyenne (16) bestätigt: „Das ist klasse!“ Auch wenn es körperlich anstrengend sei. Die Realschülerin, 10. Klasse, ist zurzeit ebenfalls Erntehelferin.
Slavenka Vidovics Salon ist wegen Corona geschlossen. Sie und ihr Team sind in Kurzarbeit. Einen Kilometer weiter, in der Großgärtnerei Böck, fehlen Hilfsarbeiter aus Osteuropa, die normalerweise um diese Zeit zur Ernte da wären. Vidovic, gebürtige Kroatin, sagt: „Bei uns in Kroatien gibt es ein Sprichwort: Es ist wichtiger, ein gutes Verhältnis zum Nachbarn zu haben als zum Bruder. Wenn dein Haus brennt, kommt der Nachbar und löscht.“
Auf 450-Euro-Basis ernten und pflegen derzeit 16 Friseurinnen und Friseure aus dem Raum Poing Tomaten. Die Fläche, auf der das Gemüse angebaut wird, ist 1,8 Hektar groß – gut zweieinhalb Fußballfelder. Gearbeitet wird in zwei Schichten, Slavenka und Cheyenne sind von 6.30 bis 12 Uhr dran. „Man bekommt Respekt vor dieser Arbeit, vor jeder Tomate“, sagt die Mutter. ARMIN RÖSL
Hopfen statt Zahlen
Feldarbeit? Damit hat Informatikstudent Manuel Hummler normalerweise nicht viel am Hut – zumindest bis vor wenigen Wochen. Denn als der Pfaffenhofener von den fehlenden Saisonarbeitern rund um seinen Heimatort erfuhr, war für ihn klar: Er möchte helfen. „Ich habe in verschiedene Gruppen geschrieben und über Soziale Netzwerke gefragt, ob ein paar Jugendliche, die gerade nichts zu tun haben, mithelfen würden“, erzählt Hummler. Zehn Personen erklärten sich daraufhin bereit, einen Hopfenbauern in Niederthann auf seinem Feld zu unterstützen. „Der Landwirt hat sich total gefreut und war sehr dankbar“, berichtet der 22-Jährige.
Zwei Wochen lang war die Aushilfstruppe damit beschäftigt, Drähte in den Boden einzustecken. Der nächste Schritt folgt Ende des Monats, wenn die Triebe um diese Drähte herumgewickelt werden müssen. „Es war schon sehr anstrengend. Man muss sich viel bücken und in die Knie gehen“, erzählt Hummler. „Das geht auf die Dauer schon ins Kreuz.“ Auch das frühe Aufstehen kostete den Studenten Tag für Tag Überwindung. Regulärer Arbeitsbeginn war um 6.15 Uhr.
Trotzdem möchte er diese Erfahrung nicht missen: „Es hat viel Spaß gemacht, zu sehen, wie Hopfen angebaut wird“, findet er. Die Bewegung an der frischen Luft, die Arbeit unter der Sonne – Dinge, die man im Informatikstudium nur selten erlebt. Ob er auch bei der Spargelernte hilft, weiß Manuel Hummler noch nicht. Seine Aufgabe in Niederthann ist schließlich noch nicht beendet. Nächste Woche steht er wieder auf dem Hopfenfeld. Ob das frühe Aufstehen dann leichter fällt, wird sich zeigen. J. NETT
Hopfen statt Uni
Nach nur einer Woche ist die Arbeit bereits zur Routine geworden. „Wir nehmen zwei Drähte, verbinden sie und stecken sie mit einem Eisenstecken in den Boden ein“, erklärt Christian Blenninger. „Der Hopfen treibt in den nächsten Wochen aus und wird an diese Drähte angeleitet.“ Eigentlich machen das Saisonarbeiter. Doch wegen der geschlossenen Grenzen sind die Landwirte auf engagierte Leute aus der Umgebung angewiesen.
Blenninger, eigentlich Student, erfuhr über die Sozialen Medien von dem Mangel an Erntehelfern. Er kontaktierte mit Hilfe der Online-Plattform „Das Land hilft“ verschiedene Landwirte in der Hallertau. Mit vier weiteren Personen landete er schließlich bei einem Hopfenbaubetrieb im niederbayerischen Geisenhausen. „Was mich überrascht hat, ist, dass die Handarbeit noch so viel ausmacht“, berichtet der 22-Jährige. „Das finde ich in der heutigen Zeit beeindruckend.“ Anstrengend seien die Tage auf dem Hopfenfeld gewesen, die Arbeit etwas eintönig. Mit den Osterfeiertagen war das Abenteuer in Geisenhausen für den Helfer auch schon wieder beendet. Für ihn geht es zurück in den Alltag. Gerade hat sein Masterstudium als Wirtschaftsingenieur in Rosenheim begonnen. JULIAN NETT