Gottesdienst mit Flatterband und Mundschutz

von Redaktion

Sieben Wochen ohne: Seit dem 13. März waren öffentliche Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen verboten. Seit gestern dürfen Gläubige mit Einschränkungen wieder zusammenkommen – Glaube kann in Gemeinschaft gefeiert werden.

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Es war eine ganz besondere „Fastenzeit“, die Angehörige von Religionen in den vergangenen Wochen aushalten mussten: Wegen des Coronavirus und der drohenden Ansteckungsgefahr waren auch öffentliche religiöse Feiern verboten. Gestern haben sich erstmals wieder Gläubige versammelt – in Maßen und mit strikten Abstands- und Hygieneregelungen.

Im Münchner Liebfrauendom fand gestern Abend um 17.30 Uhr wieder der erste katholische Gottesdienst statt. Domdekan Lorenz Wolf zelebrierte die Messe, zu der 70 Gläubige zugelassen waren. „Für die Gläubigen war das eine lange Zeit, in der die Teilnahme an Gottesdiensten gar nicht möglich war“, sagt Bernhard Kellner, Sprecher des Erzbistums München und Freising. Viele hätten es schmerzlich vermisst, die Kommunion zu empfangen. Manche seien womöglich immer noch ängstlich, weil sie Sorgen hätten, sich anzustecken. Es sei richtig gewesen, die öffentlichen Feiern aus Gründen des Gesundheitsschutzes auszusetzen. „Jetzt wird ein Anfang gemacht, es ist ein Hoffnungszeichen.“ Da die Teilnehmerzahl aber wegen der bestehenden Abstandsregelungen noch begrenzt sei, „heißt das, dass viele weiter warten müssen und zunächst auf die Online-Angebote verwiesen sind“. Für die Teilnahme an Gottesdiensten gibt es Regeln: Es gilt Mundschutz-Pflicht, jeder muss zwei Meter Abstand zum Nächsten einhalten, wer unter Quarantäne steht oder positiv auf Covid-19 getestet wurde, ist nicht zugelassen. Die Kommunion wird mit Handschuhen ausgeteilt. „Das Wichtigste ist die Gesundheit der Menschen. Die müssen wir schützen. Das Verheerendste, was passieren könnte, wäre, wenn Gottesdienste zu Hotspots der Corona-Ansteckung würden“, so Kellner.

Domdekan Wolf will zuerst Erfahrungen sammeln, wie das Angebot angenommen wird. Fürs Wochenende wird dann womöglich – ähnlich wie in anderen Pfarreien – für den Dom ein Anmeldeverfahren eingeführt. Zudem wird überlegt, die Zahl der Gottesdienste zu erhöhen. In seiner Predigt machte Wolf klar, dass Christus nicht nur für eine Kerngemeinde oder besonders Auserwählte, sondern für alle Menschen da sei. Jetzt wo die Teilnahme an Gottesdiensten begrenzt sei, werde gefragt: Gibt es Privilegien? Müssten nicht die laueren Christen den Frömmeren den Vortritt lassen? „Es gibt keine Ausgeschlossenen und es gibt keine Privilegierten“, machte Wolf klar. Die wohl erste heilige Messe in Bayern hat Montagnacht im oberpfälzischen Eschenbach stattgefunden. Um 0.05 Uhr versammelten sich rund 40 Gläubige in der Stadtpfarrkirche Sankt Laurentius, wie Dekan Thomas Jeschner berichtete. Die Zahl der Mitfeiernden entsprach genau den Auflagen. Jede zweite Bank war mit rot-weißem Flatterband gesperrt. Richtig erkennen können habe er die Mitfeiernden wegen der Masken zwar nicht. Doch die Freude, wieder Gemeinschaft im Gottesdienst zu erleben, habe die „merkwürdigen Begleitumstände“ zurücktreten lassen.

Die Erzdiözese München und Freising empfiehlt, sich bei der örtlichen Pfarrei nach den jeweiligen Angeboten zu erkundigen. Zu Fronleichnam (11. Juni) hat sie aber sämtliche Prozessionen abgesagt, die sonst traditionell viele Teilnehmer anlocken.

Trotz der Möglichkeit, in beschränktem Maße Gottesdienste mit Gemeinde feiern zu können, macht der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm weiter Werbung für Online-, Fernseh- und Radiogottesdienste. Sie seien sehr erfolgreich gewesen – und das solle bleiben. „Es ist ganz klar, dass wir nur unter sehr eng definierten Bedingungen die Gottesdienste mit Gemeinde feiern können. Ich hoffe sehr, dass die Menschen das als Kraftquelle erfahren können, auch wenn Mund- und Nasenschutz getragen werden muss, die Abstände groß sind und die Teilnehmerzahl begrenzt ist.“ Das sei ein Experiment, man müsse das Beste daraus machen. Niemand habe sich diese Situation gewählt. „Wir würden lieber unsere Gottesdienste in enger Gemeinschaft feiern, mit Berührung, mit Gesichtern, die sich anlachen können. Nur das geht im Moment nicht, um keine unverantwortlichen Risiken zu provozieren.“

Muslime müssen noch bis zum Wochenende warten. Aus Fürsorge für die Gesundheit der Gemeindemitglieder und zur Minimierung des Ansteckungsrisikos würden Gottesdienste in Moscheen erst ab dem 9. Mai durchgeführt, teilten die islamischen Religionsgemeinschaften mit. Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern arbeitet intensiv an einem Hygienekonzept, das kurz vor dem Abschluss steht. Man könne aber noch nicht sagen, wann erste Gottesdienste stattfinden können.

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