Die Hennen-Retter

von Redaktion

Für die Eierproduktion müssen Legehennen in Großbetrieben meist unter katastrophalen Umständen über 300 Eier pro Jahr produzieren. Nach 18 Monaten kommen sie zum Schlachter. Der Verein „Rettet das Huhn“ will die Tiere vor diesem Schicksal bewahren – und vermittelt sie an Hühnerfreunde.

VON LEYLA YILDIZ

Berg – „Heute gibts kein Abendbrot mehr, Mädels“, sagt Katrin Haube. Mit Mädels meint die 56-Jährige Lotte und Erna. Die beiden Hühner leben seit 2018 bei ihrer 81-jährigen Mutter Bärbel in Berg im Landkreis Starnberg. Um die zwei Hennen für ein Foto anzulocken, gibt sie ihnen eine Dose Katzenfutter. „Das lieben sie“, sagt die Hühnerbesitzerin.

Katrin Haube kennt ihre Hühner gut. Obwohl sie beide weißes Gefieder haben, kann Haube die Hennen leicht unterscheiden. „Lotte trägt ihren Kamm links und Erna rechts“, sagt sie.

Doch so schön wie bei Familie Haube hatten es Lotte und Erna nicht immer. Sie sind sogenannte Legehybriden, die speziell für die maximale Eierproduktion gezüchtet wurden. Sie lebten in einem Eierbetrieb und das unter katastrophalen Bedingungen. Wenig Platz, kaum Sonnenlicht und gesundheitliche Beschwerden – drei Faktoren, die für die Hennen Stress bedeuten. Das geht auf die Konstitution der Tiere. Deshalb ist es für die Hennen besonders schwer, in ihrem 18-monatigen Leben die normale Menge über 300 Eier zu legen. Ihre Knochen werden brüchig, die Federn gehen aus und ihre Körper sind regelrecht ausgemergelt. Sobald die Legeleistung eines Huhns nachlässt, gibt der Landwirt das Tier zum Schlachthof und ersetzt es durch eine Junghenne.

Seit 2007 engagiert sich der bundesweite Verein „Rettet das Huhn“ mit seinen 35 aktiven Mitgliedern gegen dieses sinnlose Sterben. Sobald ein Bauer Hennen zum Schlachter geben will, stallt der Verein die Hühner aus. Das heißt, dass die Retter die Tiere kostenlos vom Landwirt übernehmen und sie gratis an „Adoptiveltern“ abgeben. Inzwischen hat der Verein bereits über 68 000 Hühner gerettet – pro Jahr werden hingegen 51 Millionen getötet. Für die Übergabe an die Abnehmer stehen 35 ehrenamtliche Vermittler in zehn Bundesländern bereit.

Eine davon ist Michaela Reithmair aus Unterföhring im Landkreis München. Die 46-Jährige ist seit vergangenem Jahr für den Großraum München zuständig. „Eigentlich wollte ich selber immer Hühner haben, aber da ich in einer Mietwohnung lebe, ging das nicht“, sagt Reithmair. So kam ihr dann die Idee, sich für den Verein zu engagieren.

Ende Juni hilft sie bei der nächsten bayerischen Rettungsaktion von knapp 600 Hühnern. Wegen der CoronaKrise laufen die Rettungsaktionen mit Sondergenehmigung nach wie vor weiter, sie finden aber unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen statt. Jeder Helfer, der die Hennen aus dem Stall holt, muss eine Maske tragen.

Michaela Reithmair vermittelt die Hühner anschließend an adoptierwillige Menschen. „Die Übergabe erfolgt kontaktlos“, sagt Reithmair. „Jeder Adoptant muss eine Kiste mit Abstand vor sich abstellen und ich setze die Hühner hinein.“ Für den nächsten Ausstallungstermin sucht Michaela Reithmair noch Adoptanten, die mindestens zwei oder maximal 15 Hühner bei sich aufnehmen.

Die müssen aber bestimmte Kriterien erfüllen. Ein Garten und ein beheizbarer oder gut isolierter Hühnerstall sind Pflicht. Ebenso wie ein Auslauf, der die Hühner vor Fressfeinden wie dem Fuchs schützt. Außerdem muss es einen vogelkundigen Tierarzt in der näheren Umgebung geben.

Für die Haubes war das kein Problem. Sie nahmen 2017 ihre ersten Hühner auf. Frieda, Gertrud, Hilde und Lisbeth sind zwar schon gestorben, doch Erna und Lotte brachten schnell wieder Leben in den Hühnerstall. Seit April haben die Hennen sogar zwei weitere Zimmergenossinnen bekommen – Flora und Luise. Für die vier macht das Mutter-Tochter-Gespann alles. Sogar selber kochen. „Meine Mama bereitet ihnen immer einen Hühner-Nudelsalat zu. Der besteht aus gekochten Nudeln, Salat, Olivenöl, Oregano und Sonnenblumenkernen“, sagt Katrin Haube.

Die Arbeit, die sich die Haubes für die Hühner machen, erfüllt sie. „Hühner machen so glücklich, sie sind richtig freundliche Tiere“, sagt Bärbel Haube. Das Gackern ist für sie das schönste Geräusch – und Gackern tun die Hühner besonders beim Eierlegen. Das machen sie immer noch jeden Tag – so sind reichlich Eier da. „Wir sind zwar Veganer, aber bei den Eiern unserer Hühner machen wir eine Ausnahme und essen sie trotzdem“, sagt Katrin Haube. Denn sie wissen ja, woher die Eier stammen. Ihrer Meinung nach können Eier aus dem Supermarkt nicht ohne schlechtes Gewissen gekauft werden. „Egal wie gut die Haltung ist“, ergänzt Michaela Reithmair. „Die männlichen Küken werden trotzdem geschreddert und alle Hennen am Ende zum Schlachter gebracht.“

Lotte, Erna, Flora und Luise ist dieses Schicksal dank des Vereins zum Glück erspart geblieben.

Wer Interesse an einer

Hühner-Adoption hat, kann sich unter www.rettetdashuhn.de oder bei Michaela Reithmaier per Mail unter michaela@rettetdashuhn.de informieren.

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