Pflegeheime rüsten sich für Ansturm

von Redaktion

Für die Senioren ist es eine lang ersehnte Nachricht: Angehörige dürfen wieder in die Pflegeheime. Doch die Mitarbeiter der Einrichtungen müssen sich nun innerhalb weniger Tage ein neues Schutzkonzept überlegen. Sie rechnen am Muttertag mit etlichen Besuchern – nicht alle Heime gehen dieses Risiko ein.

VON KATRIN WOITSCH

München – Nina Fuchs ist hin und her gerissen. Sie freut sich für ihre Senioren, die seit Wochen sehnlichst auf den Tag warten, an dem sie ihre Kinder und Enkel wieder sehen dürfen. Doch als Heimleiterin kann sich Fuchs nicht aus tiefstem Herzen mitfreuen – dafür ist ihre Sorge zu groß, dass das Virus in die Einrichtungen gelangen könnte. Nina Fuchs und ihr Team tun seit Wochen alles dafür, dass genau das nicht passiert – bisher erfolgreich. Im Pflegeheim in Wollomoos hat es bis jetzt keinen einzigen Corona-Fall gegeben. Obwohl es in dem kleinen Dorf im Kreis Dachau besonders viele Infizierte gab.

Seit Fuchs am Dienstag von den Lockerungsmaßnahmen erfahren hat, ist sie damit beschäftigt, ein neues Schutzkonzept zu erarbeiten. Sie hat alle Angehörigen angeschrieben, vergibt Besuchstermine, bat einen Mitarbeiter, der einen 3D-Drucker besitzt, Gesichtsvisiere für die Besucher anzufertigen. Kurz: Sie tut alles, damit es am Wochenende, vor allem am Muttertag, keinen Besucheransturm gibt und die Schutzmaßnahmen für die Bewohner bestmöglich sind. „Fürs Erste habe ich nun zwölf Termine vereinbart“, sagt sie. Sie hofft auf schönes Wetter, damit sie die Terrassen für die Besuche nutzen kann. Und sie hofft auf das Verständnis und die Geduld der Angehörigen. Bisher sei es da, sagt sie. „Die Angst, sich selbst oder die Bewohner anzustecken, ist nicht verschwunden, nur weil Besuche wieder möglich sind.“

So wie Nina Fuchs geht es gerade Heimleitern überall in Bayern. Sie alle sehen, wie die Senioren ihre Familien vermissen – und sie alle stehen gerade vor einer riesigen Herausforderung: innerhalb einer halben Woche ein effektives Schutzkonzept zu finden. Vielen kommt die Entscheidung der Staatsregierung viel zu kurzfristig. „Wir können nicht zaubern“, sagt Edith Maruska, die Leiterin des Rummelsberger Stifts in Söcking (Kreis Starnberg). Sie ist sicher, dass ihr Team eine gute Lösung finden wird. „Aber definitiv nicht bis zum Wochenende.“ Auch andere Pflegeheime fürchten, dass sie mehr Zeit brauchen, um für ausreichend Schutz zu sorgen. Sie haben die Angehörigen bereits angeschrieben und noch um etwas Geduld gebeten, bis Besuche wieder möglich sind.

„Es ist richtig und wichtig, dass die Heime die Möglichkeit haben, die Lockerung individuell auszugestalten“, betont der BRK-Präsident Theo Zellner. Schon allein, weil die Heime unterschiedlich schwer von dem Coronavirus betroffen seien. „Wir haben Heime, die bisher keinen einzigen Infizierten hatten, andere stehen komplett unter Quarantäne.“ Auch das Rote Kreuz rechnet mit einem großen Besucherandrang – und appelliert an alle Angehörigen, Verständnis zu haben, dass nun nicht alle auf einmal kommen dürfen. Zumindest die Versorgung mit Schutzausrüstung würde wieder verlässlicher werden, sagt Zellner. Um die Sicherheit in den Heimen mit Besuchern zu gewährleisten, seien neben der nötigen Schutzausrüstung jedoch auch regelmäßige Testungen von Mitarbeitern und Bewohnern nötig, fordert er.

Auch die Arbeiterwohlfahrt hätte sich von der Politik für die Öffnung ihrer Heime eine Vorwarnung gewünscht. Diese Maßnahme sei völlig überraschend und ungeachtet jeglicher realistischer Umsetzung gekommen, betont der AWO-Landesgeschäftsführer Andreas Czerny. „Die Einrichtungen stehen nun vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe.“ Viele Heime würden das nicht bis zum Wochenende schaffen, ihnen schiebe die Staatsregierung nun den Schwarzen Peter zu. „Ausbaden muss es das Personal in den Pflegeheimen, das ohnehin schon völlig überlastet ist“, sagt Czerny. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Seit Beginn der Besuchsverbote werde darüber diskutiert, unter welchen Bedingungen sie wieder ermöglicht werden können. „Viele Einrichtungen haben Konzepte erstellt und sind gut vorbereitet.“  (gma/mas/ac/ja/do/zim/lby)

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