München – Beim Streit um den Flächenverbrauch in Bayern sehen sich die Gegner einer Reglementierung nun durch die Corona-Krise bestärkt. Die Folgen der Pandemie auf Bayerns Wirtschaft seien unabsehbar, sagte Peter Kammerer von der IHK München-Oberbayern in einer Landtags-Anhörung. Vor einer Obergrenze beim Flächenverbrauch könne er nur warnen. „Wir müssen auf die Pause-Taste drücken.“ Ähnlich argumentierte Benedikt Rüchardt von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft: In Bayern sei die Verkehrswende ohne Flächenverbrauch nicht zu bewerkstelligen. Rüchardt nannte als Beispiel den Bau der Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel und Radwege, die vielerorts fehlten. Da sei eine pauschale Grenze „sicher ein Hemmschuh“. Auch der Abensberger Bürgermeister und Gemeindetags-Chef Uwe Brandl (CSU) wandte sich gegen eine „strikte, mathematisch berechnete“ Flächenbegrenzung. „Das knebelt uns.“
Die Anhörung gestern im Wirtschaftsausschuss des Landtags war ein Baustein in einem langen Prozess der Meinungsfindung. Bayerns schwarz-orange Koalition hat als Ziel eine Begrenzung auf fünf Hektar Flächenverbrauch pro Tag ausgegeben – freilich als „Richtwert“, nicht als strikt definierte Obergrenze. Nimmt man das ernst, müsste der derzeitige Flächenverbrauch halbiert werden. Strittig ist vor allem, wie das auf die Gemeinden runtergebrochen werden kann.
Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete und Umweltexperte Josef Göppel hat vorgeschlagen, Faktoren wie Einwohnerzahl oder Finanzkraft einer Kommune zur Berechnung lokaler Anteile zu berücksichtigen. Auf Göppels Seite steht der Raumplaner Holger Magel, ein Fachmann für ländliche Entwicklung. Er könne nur davor warnen, die Corona-Krise jetzt auszunützen und „das Ganze infrage zu stellen“. Ein „selbstverpflichtender Richtwert“ auf lokaler Ebene sei ein zentraler Baustein für die Flächenbegrenzung.
Eine Entscheidung war gestern nicht absehbar – und im Hintergrund lauert ein möglicher Volksentscheid zu dem Thema, der von den Grünen immer wieder ins Spiel gebracht wird. Allerdings kann Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann keinen Zeitpunkt nennen. „In der jetzigen Zeit kann man kein Volksbegehren starten, das ist uns bewusst“, sagte er unserer Zeitung. Dennoch werde das Thema nicht von der Agenda verschwinden. Auch auf lokaler Ebene geht der Streit weiter. Am Sonntag wird es in Allersberg an der A9 einen Bürgerentscheid (ausschließlich per Briefwahl) über den Bau eines Amazon-Logistikzentrums geben – die Gegner warnen vor Flächenfraß. DIRK WALTER