Ein Fisch ist schön. „Meine zumindest“, sagt Dominik Blees. „Es gibt schon welche, Seeteufel oder Laternenfische zum Beispiel, die kommen echt greislich daher.“ Seine Fische, das sind Salmoniden: Forellen, Lachsforellen, Bachforellen und edle Saiblinge. Auch wenn seine Tiere kein kuscheliges Fell oder niedliche Schnauzen wie Hunde oder Katzen haben: „Ich mag meine Fische“, sagt Blees. Davon hat er tausende.
Der 29-Jährige ist Fischwirtschaftsmeister aus Passion. Im vergangenen Jahr baute er mit seiner Partnerin Manuela Merk im Landkreis Garmisch-Partenkirchen einen kleinen, feinen Betrieb auf. Ihr „Platzfisch“, so nennt sich das Ladengeschäft an der Klammstraße in Mittenwald, bietet frisch gefangene Ware, Fischsalate und Räucherfisch: handwerklich produzierte Leckerbissen, mit denen die beiden die Gastronomie und Hotellerie im Werdenfelser Land versorgten. Bis die Corona-Krise kam.
Schloss Elmau, das „Marktrestaurant“ und der Gasthof „Stern“ in Mittenwald, das Hotel Zugspitze und das „4-Eck“ in Garmisch: Sie und viele andere Betriebe servierten bis vor Kurzem ihren Gästen gerne Saibling und Lachsforellen vom „Platzfisch“. All diese renommierten Häuser sind derzeit noch geschlossen. Also musste das „Platzfisch“-Team sich etwas überlegen. Soforthilfe hat das Paar nicht beantragt, auch keine Kurzarbeit. „Wir wollen das so schaffen, da habe ich meinen Stolz“, sagt Blees. Manuela Merk ergänzt: „Da gibt es Leute, die das viel dringender brauchen als wir.“
Der „Platzfisch“, in dem sie an drei Tagen frische Ware anbieten – eine ehemalige Garage –, durfte als Lebensmittelgeschäft offen haben, immerhin. Doch für die Fixkosten langte der Ertrag vorne und hinten nicht. So starteten Merk und Blees einen Lieferservice, bewarben ihn per Radiowerbung, über Facebook und Instagram. Mit Erfolg. „Wir beliefern derzeit fast nur Privatleute“, sagt Merk. Nur Feinkost Pöltl in Murnau, sagt die 31-Jährige, verkaufe auch ihren Fisch.
Mittenwald, Garmisch-Partenkirchen, Wallgau, Krainau: Fast das ganze Werdenfelser Land haben sie auf dem Lieferzettel. Wenn die beiden mit ihrem Pick-up der Kundschaft die Bestellungen mit Atemmaske, Handschuhen und im Sicherheitsabstand bringen, legen sie ordentliche Strecken zurück. Das kostet Zeit. Zeit, die sie eigentlich gar nicht haben. Denn die übliche Arbeit wird nicht weniger. Morgens um sechs Uhr, manchmal um vier Uhr, muss Blees raus zu den gepachteten Teichen in Klais, einem Ortsteil der nur wenige Kilometer entfernten Gemeinde Krün. Sieben Teiche auf rund 4000 Quadratmetern: Mit dem Zugnetz holt er die Fische aus dem Wasser, die für den Tag bestellt sind. Sind welche zu klein, wandern sie zurück in den Teich. „Die Forellen haben bei uns Portionsgröße, etwa 300 Gramm. Die Lachsforellen und Saiblinge bis zu 600 Gramm“, erklärt Blees.
Täglich, egal, ob die Sonne scheint oder es schneit, muss er die Fische füttern. Und die Teiche pflegen. Morgens und abends kontrolliert er die Zu- und Abläufe, putzt die Siebe und Gitter. Gerade im Herbst verstopfen diese gerne durch fallendes Laub. „Das Wasser muss immer im Fluss bleiben“, sagt er. Und der Wasserstand muss stimmen. Gerade in den vergangenen Wochen kam extrem wenig Wasser aus dem Wettersteingebirge – seine Teiche werden aus dem Kranzbach gespeist. „Da habe ich schon schlecht geschlafen. Gott sei Dank hat es jetzt endlich geregnet“, sagt Dominik Blees.
Den Tag über verarbeitet das Paar die Fische. Schlachten, filetieren, Salate zubereiten – das Räuchern mit dem Altonaer Edelstahlofen über Buchenholzfeuer geschieht „so nebenbei“. Dennoch muss Blees ständig ein Auge drauf haben, dass der Fisch nicht verbrennt. Was keinerlei Aufschub duldet, ist das Ausliefern der frischen Ware. Der Lieferdienst macht die Arbeitstage lang, oft wird es acht oder neun Uhr, bis das Paar Feierabend machen kann. Und auch das geht nur, weil die gesamte Familie oft hinlangt.
Doch der Zuspruch und die Wertschätzung ihrer Kunden, wenn sie an der Haustür ihre Ware entgegennehmen, freut die beiden. „Da sind Leute dabei, die habe ich früher nie im Laden gesehen“, sagt Manuela Merk. „Man merkt, dass sie sich jetzt etwas Besonderes leisten – auch, um uns zu unterstützen.“ Die handwerkliche Qualität schmeckt hervorragend, hat jedoch ihren Preis. Der ist höher als im Supermarkt: Für ein geräuchertes Saiblingsfilet, 400 Gramm Gewicht, muss man rund 13 Euro anlegen. „Aber die Leute verstehen das. Ich gebe meinen Fischen nur hochwertiges Futter“, sagt Blees. Nicht zuletzt steckt viel Arbeit in so einem Saibling.
Arbeit, auf die das Wetter keine Rücksicht nimmt. Im Winter müssen Blees und Merk die Flächen am Teich von Schnee räumen – im schneereichen Winter 2019 stießen sie an ihre Grenzen. „Wenn es über Nacht einen Meter schneit, hast du zu kämpfen“, sagt Blees. „Und wenn du den ganzen Tag bei minus 20 Grad mit dem Wasser rumpritschelst, setzt das Fingern und Gelenken schlimm zu.“
Er trägt zwar im Wasser Wathosen, ansonsten Neoprenstiefel und Handschuhe. Doch je dicker die Hände eingepackt sind, umso weniger Gefühl haben sie. Und Gefühl braucht man beim Sortieren, Schlachten und Filetieren. „An Weihnachten hab ich nur noch heulend dagesessen, weil das so wehtat“, erinnert sich Merk.
Dennoch: Tauschen wollen die beiden nicht. „Ich bin schon als Bub ständig mit der Angel losgezogen, einen Bürojob könnte ich nicht machen“, sagt Dominik Blees. Manuela Merk, die ursprünglich Medienkommunikation studiert und in der Veranstaltungsbranche gearbeitet hat, hat sich gut eingearbeitet. Sie wirkt stolz und glücklich mit dem gemeinsamen Werk. „Ich bin sein Lehrling“, sagt sie und lacht. Blees, der das Handwerk gelernt hat, bestätigt: „Sie ist kaum langsamer als ich.“
In der Krise weitete sich das Blickfeld auch weit über Oberbayern hinaus: Urlauber, die in Mittenwald auf den Geschmack gekommen waren, fragten an, ob Blees und Merk nicht nur liefern, sondern auch verschicken könnten. „Wir haben das im kleinen Stil angefangen, das funktioniert“, sagt Dominik Merk. In der Styroporbox und mit Trockeneis – über Nacht bekommen nun deutschlandweit Liebhaber von Saibling & Co fangfrischen Fisch aus Mittenwald. Das sei ausbaufähig, findet der 29-Jährige.
Auf die Zeit nach den ärgsten Corona-Beschränkungen blicken die beiden voller Zuversicht. Am 25. Mai dürfen Wirtshäuser und Hotels wieder öffnen. Wie sagt man in Bayern: Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch etwas Gutes hat.