Das Leben nach der Explosion

von Redaktion

VON KATHRIN BRACK

Rettenbach am Auerberg – Am Rand der Blumenwiese reihen sich die Bilder an einer langen Leine. „In der Dunkelheit der Trauer leuchten die Sterne der Erinnerung“ steht auf einem. Ein anderes zeigt Kinderhände und ein rotes Herz, in dem steht: „Anna. Für immer in unserer Mitte.“ Mitschüler und Freunde haben die Bilder mit Wäscheklammern aufgehängt. Wo vor einem Jahr noch das Haus der Familie Humm stand, erinnern heute in Rettenbach (Kreis Ostallgäu) Zeichnungen und Kerzen an die damals Siebenjährige und ihren Papa Christian. Die beiden starben, als das Haus der Familie bei einer Explosion zerstört wurde (wir berichteten).

Sandra Humm, die Mutter, überlebte das Unglück im Mai 2019 mit schwersten Verletzungen. Zehn Wochen lag sie auf der Intensivstation, es folgten Monate in einer Rehaklinik. Anfang Januar wurde die heute 41-Jährige entlassen. Mit ihren Söhnen Florian und Tobias, die zum Zeitpunkt des Unglücks auf einem Spielplatz waren und in den Monaten danach bei Verwandten unterkamen, lebt sie im Erdgeschoss des Hauses ihrer Eltern bei Erding. „Es geht uns soweit gut, wir haben uns gut eingelebt und fühlen uns wohl“, sagt sie.

Sie könne den Alltag nahezug alleine bewältigen, die körperlichen Einschränkungen werden stetig weniger. Der schwer verletzte rechte Arm wird noch behandelt, zweimal pro Woche geht Sandra Humm zur ambulanten Reha in Erding. Alle drei werden psychologisch betreut. „Die Buben haben schnell viele neue Freunde gefunden und spielen im Fußballverein.“ Der Kontakt in die alte Heimat ist dennoch nicht abgerissen. Sandra Humm und ihre Söhne haben Rettenbach und ihre Freunde in den vergangenen Monaten mehrfach besucht.

Die hatten der Familie und den anderen betroffenen Nachbarn nach Kräften geholfen, genauso wie zahlreiche Menschen aus dem Umland und der Allgäuer Hilfsfonds. Der unterstützt Sandra Humm und ihre Kinder nach wie vor. „Die Gelder werden stufenweise eingesetzt, um die Lebensbedingungen der Familie zu verbessern“, erklärt Simon Gehring. In den vergangenen Monaten sei „ein beachtlicher Betrag“ zusammengekommen, der nicht näher beziffert wird. „Wir möchten allen Spendern danken. Das hilft der Familie auf jeden Fall weiter.“ Der Hilfsfonds unterstützt Menschen im Allgäu, die unverschuldet in Not geraten sind. Wie die Humms.

Bereits kurz nach dem Unglück stand fest, dass Gas die Explosion auslöste, obwohl das Haus der Familie nicht ans Netz angeschlossen war. Doch die Schuldfrage ist bis heute nicht geklärt. Die Staatsanwaltschaft Kempten, die wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung gegen Unbekannt ermittelt, geht davon aus, dass bei Bauarbeiten eine Flüssiggasleitung beschädigt worden ist.

„Die Ermittlungen gestalten sich schwierig“, sagt Staatsanwalt Ferdinand Siebert. Man müsse ermitteln, wann welche Arbeiten vom wem vorgenommen wurden. Ursprünglich sollten die Untersuchungen 2019 abgeschlossen werden. Die Staatsanwaltschaft rechnet aber damit, dass sie noch rund sechs Monate dauern. Immerhin: Die Versicherung, die ursprünglich bis zur Klärung nicht zahlen wollte, hat inzwischen die Verbindlichkeiten der Familie übernommen. Das Haus, das die Humms 2014 gebaut hatten, war noch nicht abbezahlt.

Die Spuren der Explosion sind in dem Ort am Fuß des Auerbergs nicht mehr zu sehen. Trotzdem ist die Lücke mitten im Ort unübersehbar. Bürgermeister Reiner Friedl, der nach dem Unglück mehrfach vor Kameras und Mikrofone treten musste, bittet darum, keine Interviews geben zu müssen. Die Rettenbacher hätten immer noch mit dem Unglück zu kämpfen. Auf eine Gedenkfeier musste die Gemeinde wegen der Corona-Krise verzichten. Nachbarn wollten stattdessen zum Jahrestag eine Andacht abhalten. Und zeigen, dass Familie Humm nicht vergessen wird.

Der Allgäuer Hilfsfonds

sammelt weiter Spenden. Wer Sandra Humm und ihre Söhne auf dem Weg zurück ins Leben unterstützen möchte, kann das unter dem Verwendungszweck „Familie Humm“ tun:

Sparkasse Allgäu DE94 7335 0000 0000 0028 57 BYLADEM1ALG Raiffeisenbank KemptenOberallgäu eG DE04 7336 9920 0000 8848 80 GENODEF1SFO

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