Ein Tausendsassa

von Redaktion

Joseph Ritter von Hazzi experimentierte sogar mit Seidenraupen

Manche bedeutende Persönlichkeiten haben ein trauriges Schicksal: Sie geraten einfach in Vergessenheit. So ergeht es auch Joseph Ritter von Hazzi (1768–1845). Keine Ausstellung, keine Jubiläumsschrift, kein Nachruhm also zum 175. Todestag (20. Mai). Das sah Katharina Höninger von der Agrarhistorischen Bibliothek im Haus der Landwirtschaft Herrsching nicht ein. Ob man nicht doch an den „Aufklärer, Agrar- und Forstpolitiker“ erinnern möge? So schrieb sie uns.

Gesagt – getan: Der Hazzi war tatsächlich zu Lebzeiten ein Tausendsassa, ein Pionier auf vielen Gebieten. „Ein Allroundgenie, das trifft es wohl“, sagt Bibliothekarin Höninger.

In Bayern um 1800 war vieles möglich, es war die Epoche der Aufklärung, und im Gefolge des bayerischen Staatsreformers Nr. 1, Graf Montgelas, konnte auch Hazzi viele seiner Ideen umsetzen, die vielleicht ein, zwei Jahrzehnte vorher noch als pure Spinnerei abgetan worden wären. Und das im Wortsinn, denn der gebürtige Abensberger war derjenige, der die Seidenraupenzucht nach Bayern holte.

Seide, den kostbaren Stoff, kannte man aus China. Hazzi verfasste sogar ein Lehrbuch. Er kümmerte sich um den Import von Maulbeerbäumen, deren Blätter an Seidenraupen (Hazzi nannte sie Seidenwürmer) verfüttert werden. Er experimentierte mit anderen über die beste Verwertung der Raupenkokons, aus denen sich die Seide gewinnen lässt. Startete Anbauversuche mit Maulbeerbaumplantagen, gründete eine Deputation, die die Seidenherstellung in ganz Deutschland etablieren wollte. Letztlich scheiterten die Versuche, denn der Maulbeerbaum war für hiesige Breitengrade nicht geeignet. In den 1920er- Jahren erlebten Versuche mit der Seidengewinnung eine kurze, aber bescheidene Renaissance.

Hazzi, ein gelernter Jurist, kann aber nicht auf die Seide verengt werden. Ein besonderes Kapitel seines Lebens ist sein Wirken im Dienste Napoleons. Kurzzeitig war er 1805 Leiter der Polizeiverwaltung aller von der französischen Armee eroberten Gebiete. Er arbeitete auch am zivilen Gesetzbuch (Code Napoleon) mit. Zurück in Bayern, verantwortete er von 1818 bis 1835 als Vorstand des Landwirtschaftlichen Vereins die Herausgabe des Landwirtschaftlichen Wochenblatts, das es ja heute noch gibt. Energisch setzte er sich seit 1820 dafür ein, die staatlichen Kunst- und Wissenschaftssammlungen für die Dauer des Oktoberfests für die Allgemeinheit zu öffnen. „Das hat mich persönlich am meisten beeindruckt“, sagt Bibliothekarin Höninger.

Als Agrarexperte schrieb er über nahezu alle Aspekte der Landwirtschaft – über das richtige Düngen, über Rindviehzucht und sogar über Pferderennen „als wesentliches Beförderungs-Mittel der bessern, vielmehr edlen Pferdezucht“ (so der damalige Titel). Gleichzeitig wollte er durch Flurbereinigung die Produktivität der Landwirtschaft steigern.

1837 legte Hazzi seine Ämter nieder und zog sich auf seinen Landsitz Burg Elkofen (bei Grafing im Kreis Ebersberg) zurück. Kinderlos verstorben, wurde er auf dem Friedhof Oberelkofen beigesetzt, wo heute eine Gedenktafel an ihn erinnert.

Und die Seidenraupenzucht? In Unterwössen und Erlstätt im Landkreis Traunstein stehen noch heute Maulbeerbäume. Einst zur Seidenraupenzucht gepflanzt, haben sie nach Einschätzung heutiger Agrarexperten sogar Zukunft: Als Profiteure des Klimawandels gedeihen sie prächtig. DIRK WALTER

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