MASSGESCHNEIDERT

von Redaktion

Wieder ist ein Vatertag fast unbemerkt zu Ende gegangen, haben viele Väter ihre erwartungsvoll ausgestreckte Hand leer zurückziehen müssen. Geben wir’s doch endlich zu – dieser Gedenktag in Anführungszeichen wird in seiner Lächerlichkeit nur noch vom Tag des Apfelkompotts übertroffen und steht zum traurigen Ende vielfach unter dem zweideutigen Goethe-Wort: Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten. Wenn nämlich die Nichtgeehrten, in ihrem Frust mit Bier betäubten Gesichter wieder ihren Wigwam ansteuern.

Selbst im Lexikon wird der Vatertag mit keinem Buchstaben erwähnt. Dort steht lediglich, dass ein Vater der eheliche oder uneheliche Erzeuger eines Kindes sei. Das ist wahrhaftig eine sehr geschäftsmäßige und lieblose Darstellung. Und selbst sie ist von der Wirklichkeit teilweise schon überrollt. Denn da sei einmal einer ein Erzeuger, wenn sie nicht will! Vater werden ist, entgegen der einst noch wohlbegründeten Meinung von Wilhelm Busch, viel schwerer geworden, seit die Pille durch Damenhandtaschen geistert.

Ja früher, in vergangenen Jahrhunderten, da war der Vater allerorten noch der große Zampano. Dazumal aßen die Väter Hirschkeule, während sich Frau und Kinder aus dem Geweih eine Suppe brühten.

Als die letzten hundert Jahre ihre Macht und Herrlichkeit immer mehr dahinschwanden, kamen sie auf die verwegene Idee, dem Muttertag einen Vatertag gegenüberzustellen. Die Wirkung war verblüffend: Ein gewaltiges Gelächter schallte durch alle deutschen Gaue. Immerhin zeigten sich anfänglich manche bereit, den Vater mit Stumpen, Socken, Krawatten oder Spirituosen zu beschenken oder ihm aus Ersparnisgründen ein Gedicht aufzusagen, das analog zum Muttertag mit einem scheinheiligen lieb Väterlein begann.

Im Laufe der Jahre ging die Bereitschaft zur Huldigung allerdings immer mehr zurück. Man kann sich denken, wie traurig da die Väter waren! Hatte sie denn wirklich niemand lieb? In ihrer Verzweiflung wandten sie sich der einzigen Mutter zu, die offenbar noch Verständnis für sie hatte: der Mutter Natur. Wie trotzige Schulbuben rotten sie sich seitdem an Christi Himmelfahrt zusammen, schmücken ihre biederen Häupter mit Strohhüten, laden ein Fass Bier auf ein Leiterwagerl und ziehen damit unter dem Absingen aufmüpfiger Lieder hinaus in Wald und Flur.

Lächelnd sieht sie die teure Gemahlin davonmarschieren, während die Kinder erleichtert aus dem Fenster winken. Nun braucht sie den lästigen Burschen nicht einmal mehr zu verköstigen. Sodass der Vatertag beinahe zu einem zweiten Muttertag wurde.

An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber

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