UNSERE HEIMATSPITZE

Von Sommerfrischlern und Millibauern

von Redaktion

VON BEZIRKSHEIMATPFLEGER NORBERT GÖTTLER

Was haben Herbert Achternbusch mit den Gebrüdern Asam, Richard Strauss mit Franz von Lenbach und Ignaz Günther mit Christian Stückl zu tun? Worin besteht die Gemeinsamkeit von Thomas Mann, Gerhard Polt und Georg Baselitz?  Des Rätsels Lösung: All diese so unterschiedlichen Persönlichkeiten unterstreichen mit ihrer Biografie die These, dass München ohne sein oberbayerisches Umland – und Oberbayern ohne seine Metropole München – nicht jener europäische Kulturraum wäre, zu dem es sich heute entwickelt hat. Die genannten Kulturschaffenden, und viele hunderte mehr, haben entweder in der Großstadt gelebt und in ganz Oberbayern ihre Spuren hinterlassen, oder im Umland gelebt und nach München hinein gewirkt.  Die Hauptstadt und die Region, sie bilden seit Jahrzehnten eine Symbiose, in der kulturelle Kreativität wachsen und gedeihen kann. Das mag banal klingen, ist aber beileibe keine Selbstverständlichkeit. Es gibt Städte von höchster kultureller Bedeutung, die aber kaum auf das sie umgebende Umland ausstrahlen. Gleichzeitig gibt es kulturschwere Landschaften ohne die bündelnde Kraft einer urbanen Mitte.  Wenn unser Ministerpräsident in diesen Corona-geplagten Urlaubszeiten auch auf die kulturellen Schätze unserer näheren Heimat hinweist, dann stellt er sich in eine lange Tradition. Eine scharfe Trennungslinie zwischen hochkultureller Metropole und kulturferner Provinz hat es in München und Oberbayern nämlich nie gegeben.  Vielleicht hat das historische Gründe. München war lange Zeit eine kleinbürgerliche Residenzstadt. Man fuhr zur Sommerfrische hinaus aufs Land, gleichermaßen drängte die bäuerliche Verwandtschaft herein in die Stadt. Die Wittelsbacher Herrschaft ließ sich, so oft es ging, hinausfahren in die Jagd- und Gesellschaftsresidenzen Schleißheim, Lustheim und Dachau. Ludwig II. floh auf seine Traumschlösser und noch Ludwig III. wurde wegen seiner Liebe zu seinem Landsitz spöttisch „Millibauer von Leutstetten“, seine Ehefrau Therese „Topfenresl“ genannt. Mit seinen städtischen Gewohnheiten befruchtete man das Land, mit bäuerlichen Prägungen – bis hin zum Dirndlgwand, mit dem sich manche Städterin schmückte – kehrte man zurück in die Metropole.  Selbst die katholische Diözese trägt bis heute den Namen „München-Freising“, bis 1821 residierte der Bischof draußen auf dem Land, im entfernten Freising. Dieser permanente Austausch ist bis heute fruchtbar geblieben.  Dass es dabei auch manche Äußerung gegenseitiger Hassliebe gab und gibt, mag nicht verwundern. So etwa Oskar Maria Grafs augenzwinkerndes Verdikt: „München ist von allen deutschen Städten die provinzlerischste! Zukunft kennt man hierorts nicht, kaum Gegenwärtiges. München ist katholisch, alles, was davon abweicht, gilt als – bolschewistisch!“.  Die Retourkutsche kam quasi zwei Generationen später, mir persönlich von Herbert Achternbusch ins Mikrofon geknurrt: „Was wollen’s mit dem Starnberger See! Der Starnberger See ist der See der kulturellen Seifensieder! Früher hieß er Würm-See, aber eigentlich sollte er Wurm-See heißen!“.  Nun, so hat jeder seine persönlichen Erfahrungen aufzuarbeiten! Machen Sie sich Ihre eigenen!

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