Prestigeprojekte der Bahn gescheitert

von Redaktion

VON FREDERICK MERSI UND DIRK WALTER

München/Holzkirchen – Bayern kommt beim Einsatz umweltfreundlicherer Hybrid-Alternativen zu Dieselzügen im Nahverkehr nicht voran. „Die Umsetzung der geplanten Vorhaben konnte bisher leider nicht im vorgesehenen Tempo realisiert werden“, teilte das Verkehrsministerium in München mit.

Bei Hybridzügen wird Bremsenergie in elektrische Energie umgewandelt und in einer Batterie gespeichert. Die Züge fahren dann einen Teil mit Dieselantrieb, einen Teil mit Strom. So die Theorie. Die Praxis ist indes ernüchternd: Für keines der sechs Hybridzug-Projekte, die der damalige Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) Anfang 2018 als Säule eines nachhaltigen Bahnverkehrs in Bayern vorgestellt hatte, gibt es einsatzbereite Fahrzeuge. Zwei Pilotprojekte sind komplett aufgegeben worden. Bei den vier übrigen sei nicht absehbar, ob und wann sie eine Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt bekommen.

Die Gründe für den Stillstand sind vielschichtig. Das Projekt „Eco DeMe Train“, bei dem Dieselzüge mit Stromabnehmer-Wagen auf der Strecke Mühldorf – München fahren sollten, gab die Deutsche Bahn mangels Unterstützung seitens des Herstellers Bombardier auf. „Von dort muss die Trägertechnologie kommen“, sagte ein Bahn-Sprecher. „Aber die Auftragsbücher sind gerade voll.“ Bombardier erklärte, man sei nicht über Vorgespräche hinausgekommen. Dass auch der für die Strecke zwischen Bogen und Neufahrn in Niederbayern vorgesehene Oberleitungs-Diesel-Hybridzug nicht umsetzbar ist, liegt hingegen daran, dass dessen Fahrzeuge zu schwer für die dortige Donaubrücke gewesen wären. Bei den nicht einsatzbereiten Zügen, die von der Deutschen Bahn im August 2018 als „Eco Train“-Varianten beworben worden waren, verweist das Unternehmen auf enorme Hürden bei der Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt. „Ich sehe wenig Perspektive, das auf die Schiene zu bringen“, so ein Bahn-Sprecher. Man habe andernorts zwar schon Hybridzüge im Einsatz, diese müssten aber auch zum Streckenprofil passen. Eigentlich sollten die Züge unter anderem zwischen Schöllkrippen in Unterfranken und Hanau und im bayerischen Oberlandnetz fahren. Am Unternehmenssitz der BOB in Holzkirchen werden nun morgen die neuen LINT-Züge vorgestellt – sie ersetzen die alten BOB-Züge der Typen Integral und Talent, fahren aber ebenfalls mit Diesel. Langfristig setzt die BOB auf eine Verstromung ihres Netzes. Das ist zugesagt. Bisher läuft freilich nur eine Vorplanung der Elektrifizierung, die der Freistaat für den Bund vorfinanziert. BOB-Chef Fabian Amini rechnet nicht vor 2030/32 mit einer Strom-BOB.

Auch auf der Strecke Gunzenhausen – Pleinfeld in Mittelfranken wollte die Staatsregierung im Rahmen ihrer „Bayerischen Elektromobilitäts-Strategie Schiene zur Reduzierung des Dieselverkehrs im Bahnnetz in Bayern“ Akku-Hybridzüge einsetzen. Erste Testfahrten hätten eigentlich schon im Sommer 2019 stattfinden sollen. „Bis dato ist es der Firma Bombardier aber nicht gelungen, diesen Zug einsatzbereit zur Verfügung zu stellen“, so ein Sprecher des Verkehrsministeriums.

Die Hoffnungen der Staatsregierung ruhen nun auf Zügen mit Wasserstoffantrieb. Doch auch in diesem Bereich gibt es Verzögerungen. Wegen der Corona-Pandemie wurde eine für März geplante Testfahrt im Allgäu auf Januar 2021 verschoben. Ein in der Entwicklung befindlicher Zug mit flüssigem organischem Wasserstoffträger wird wohl nicht wie geplant 2023, sondern erst ein Jahr später Testfahrten absolvieren, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Vorgesehen ist dafür unter anderem die Strecke Augsburg – Füssen. 2024 sollen erste herkömmliche Wasserstoffzüge planmäßig auf zwei Strecken rund um Mühldorf am Inn fahren. Ein entsprechendes Vergabeverfahren werde vorbereitet, so das Ministerium.

Trotz der Rückschläge wollen sowohl Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) als auch die Deutsche Bahn an Versuchen mit Hybridzügen festhalten. Nur knapp 50 Prozent des bayerischen Schienennetzes sind elektrifiziert. Das Thema sei „keine Sackgasse“, sagte ein Bahn-Sprecher. Aber: „Es ist ein schwieriger Weg.“

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