Bad Tölz/Frieding – Abgesagte Konzerte, keine Proben, keine Musikanten-Wettbewerbe. Die Blasmusiker im Freistaat fühlen sich im Corona-Ausnahmezustand allein gelassen. Bei den aktuellen Lockerungen geht es um Sport, Kitas, Läden und Lokale – „zur Kultur gibt es bis heute noch keinen Fahrplan“, prangern die Verantwortlichen des Bayerischen Blasmusikverbands und seiner Mitgliedsverbände in ihrem Schreiben an Ministerpräsident Markus Söder an. Im Namen von 2500 Musikvereinen fordern sie Unterstützung seitens der Politik, „damit unseren Blaskapellen und Chören Standkonzerte im Freien erlaubt werden – unter Wahrung des Sicherheitsabstandes“. In manchen Landkreisen sei Live-Musik bereits möglich, in anderen untersagt. Hier sei ein „unbefriedigender Fleckerlteppich“ entstanden. Der Verband fordert einheitliche Regelungen, auch was den Einzelunterricht anbelangt.
Und er verlangt vor allem die Wiederaufnahme des Probenbetriebs. „Proben in Zehner-Gruppen, natürlich mit entsprechendem Abstand, das wäre schon ein Anfang“, sagt Volker Fiedler, ehemaliger Vorsitzender und bis vor Kurzem Dirigent der Blaskapelle Frieding (Landkreis Starnberg). Er ist einer der 120 000 Blasmusiker, für die sich der Verband einsetzt. Der aktuelle Zustand ist für ihn untragbar. „Wir hängen in der Luft“, klagt der 35-jährige Machtlfinger. „Momentan heißt es nur: Absagen.“ Sämtliche Musikfeste, Jubiläumsauftritte, Maifeiern, Festzüge. Im Schnitt sind es 40 Auftritte im Jahr. „Ich befürchte, das war’s für heuer.“ Schmerzhaft sei für seinen Verein die Absage des örtlichen Starkbierfests gewesen. „Da nehmen wir Geld ein, das wir das Jahr über brauchen.“
Auch das Vereinsleben der Blasmusiker liegt brach. Bis zum Lockdown Mitte März gab es wöchentliche Treffen im Vereinsheim. Da wurde geprobt, geratscht und gelacht. „Der Donnerstagabend war eine feste Institution“, sagt Volker Fiedler. „Aber momentan hat man kaum Kontakt zu den anderen“, bedauert er. Und das Üben zu Hause ist bei Weitem nicht dasselbe. „Die Motivation dahoam is gleich Null. Da is die Luft raus.“ Anfangs habe er noch fünf Mal die Woche mit Trompete und Flügelhorn geübt, „jetzt kaum noch“. Fiedler fordert, „dass wir Musiker uns im Vereinsheim treffen dürfen, dass wir wieder spielen und auftreten können.“
Das wünscht sich auch die Tölzer Stadtkapelle. „Wir wollen raus und spuin!“, sagt der Vorsitzende Martin Schnitzer. Und zwar live vor Publikum. „Ein Like auf Facebook wäre keine Lösung.“ Dem 24-jährigen Musikstudenten ist bewusst: „Ohne Konzerte fehlt für viele der Ansporn zum Üben.“ Allein in dieser Jahreszeit hätte sein 60 Mitglieder starkes Ensemble jedes Wochenende ein bis zwei Auftritte, im ganzen Jahr circa 70. „Alles liegt auf Eis“, bedauert der Posaune- und Baritonspieler. „Auch unsere Musikreise im August nach Russland fällt aus.“ Ohne Auftritte gehen Einkünfte flöten. Finanziell können die Tölzer diese Durststrecke überbrücken, aber der Traum vom neuen, größeren Probenraum rückt in weite Ferne. „Dafür wären Einnahmen nötig gewesen.“ Er hofft, dass seine Kapelle bald wieder grünes Licht kriegt. „Wir spielen ja nicht nur da, wo es eng ist“, sagt er. „Kleinere Standkonzerte könnten ein erster Schritt sein.“ Zumindest darf Schnitzer inzwischen wieder Musikschüler unterrichten. „Endlich hört man den Klang wieder! Wenn auch mit fünf Metern Abstand.“
Den großen Abstand muss er einhalten wegen möglicher Aerosole, die beim Musizieren entstehen könnten. Dazu initiiert der Bayerische Musikrat derzeit wissenschaftliche Analysen, um mehr über eine mögliche Infektionsgefahr durch die kleinen Tröpfchen beim Musizieren herauszufinden. Die Münchner Bundeswehr-Universität hat dazu eigene Tests durchgeführt und kommt zu der Erkenntnis: Es reicht, wenn sich die Musiker mit ihren Blechblasinstrumenten in eineinhalb Metern Abstand zueinander etwas versetzt aufstellen. Die Ansicht der Uni-Wissenschaftler gibt Musikern etwas Zuversicht. Nun steht die Antwort der Staatsregierung noch aus.