„Reich mir die Hand, mein Leben“, wer kennt die wunderbare Arie aus Mozarts „Don Giovanni“ nicht? Die Zeiten haben sich geändert, sich die Hand reichen – das ist erst einmal vorbei.
Fast schon seltsam der Gedanke an den Neujahrsempfang, als unser Ministerpräsident. Markus Söder unbeschwert 1200 Hände geschüttelt hat, ganz ohne Desinfektionsmittel. Jetzt heißt es: „Check“, Abklatschen in der Luft, sich mit dem Ellenbogen kurz berühren oder auch ein Hallo von Ferse zu Ferse. Wobei die ältere Generation von Letzterem sicher lieber Abstand nimmt.
Wer weiß, vielleicht kommt der gute alte Knicks wieder in Mode? Ich erinnere mich noch gut an meinen letzten im reiferen Alter: Als ich Prinzgemahl Philip für eine WWF-Sendung im Buckingham Palast interviewen durfte, erwies ich ihm diese Ehre. Natürlich hatte ich vorher geübt.
Der Handschlag – er war immer mehr als nur übliche Konvention, sondern vielmehr ein Symbol für Herzlichkeit und Zuwendung. Oder auch eine Geste, mit der man wunderbar zeigen konnte, dass das Gegenüber nicht mit uneingeschränkter Sympathie rechnen darf. Unvergessen jene Szene im März 2017, als US-Präsident Donald Trump unserer Bundeskanzlerin im Weißen Haus den Handschlag verweigerte. Harry Potter-Autorin J. K. Rowling kommentierte den Vorfall im Netz mit den Worten: „Mami war gemein zu mir, jetzt geb ich ihr auch nicht die Hand.“
Mir persönlich fällt der Verzicht auf den warmen Händedruck nicht leicht. Er ist eine Geste des Herzens, ein Zeichen der Verbundenheit, der Dankbarkeit. Hände streicheln, trösten, beruhigen, segnen. Und oft sagt er auch etwas über das Gegenüber aus. Wer hat sie nicht wahrgenommen, diese lasche Hand, die einem entgegengestreckt wird – und ihr unbewusst sofort eine Charaktereigenschaft zugeordnet? Irrtümer hierbei natürlich nicht ausgeschlossen.
Einst war es die Dame, die dem Herrn anmutig ihre Hand entgegenhielt. Eine Frage der Etikette, die aus dem Knigge längst verschwunden ist. Dass Handkuss in diesen seltsamen Zeiten ohnehin schon zweimal nicht geht, versteht sich von selbst.
Die Watschn auf die Lederhose, die der „Empfänger“ nicht spürte, während der Lehrer seine gerötete Handfläche schmerzlich betrachtete, wurde vom Zeitgeist eh überholt. Obwohl: Rein theoretisch wäre von Seiten der Virologen vermutlich nichts einzuwenden. In diesem Zusammenhang sei die Tatsache vermerkt, dass das Sich-die-Hand-geben in der Bibel nicht dokumentiert ist. Vielleicht damals schon aus hygienischen Gründen? Bibelforscher werden es genau wissen. Die erste Überlieferung des Handschlags entdeckten Historiker: Vor 2800 reichte ein assyrischer König seinem babylonischen Verbündeten die Hand.
Zweifellos: Dieses Körperteil ist nicht nur eng mit Symbolik verbunden, sondern auch ein anatomisches Wunderwerk. Wie wär’s also in den Pfingstferien mit einem Ausflug nach Wolnzach in der Holledau? Beim Besuch des „Museums der Kulturgeschichte der Hand“ mit über 800 Exponaten kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Mir persönlich gefällt der Gruß des Orients, nämlich eine kleine Verbeugung, Hand aufs Herz – eine echte Alternative. Mehr noch als den Händedruck vermisse ich aber die herzliche Umarmung. Hoffen wir, dass wir uns irgendwann alle wieder in den Armen liegen können.
Am Freitag wurde der „Tag der Nachbarn“ gefeiert. In Krisen sind gute Nachbarn wie leuchtende Sterne am Himmel. Von Balkon zu Balkon mit den Fingern ein Herz formen oder Selbstgebackenes über den Zaun reichen – eigentlich sind diese Gesten nicht weniger wert als ein Händedruck, oder?
In diesem Sinn –
herzlich
Ihre Carolin