Ist die 3. Startbahn noch notwendig?

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Der 26. Juli 2005 ist das Datum, das den Beginn der Anti-Startbahn-Bewegung markiert. An diesem Tag beschloss die Gesellschafterversammlung des Flughafens unter dem damaligen Vorsitzenden, Finanzminister Kurt Faltlhauser, die Flughafen-GmbH mit der Planung einer 3. Startbahn zu beauftragen. Das ist jetzt 15 Jahre her – und wenn es nach dem Anti-Startbahn-Bündnis „Aufgemuckt“ geht, ist der Zeitpunkt gekommen, um die ungeliebte Bahn endgültig zu beerdigen. „15 Jahre lang lebt die Region mit einem Damoklesschwert“, sagt Sprecher Christian Magerl. Doch in der Corona-Krise sollte der Flughafen sich „ehrlich machen“, appelliert Magerl. „Es gab nie Bedarf für die Bahn, und es gibt ihn nun erst recht nicht.“

Magerl war früher Grünen-Landtagsabgeordneter. Der Biologe ist mittlerweile Honorarprofessor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er hält Vorlesungen zum Thema Umweltschutz – per Videokonferenz. Tagungen am Bildschirm würden künftig in Unternehmen üblich, glaubt Magerl. Es gebe weniger Geschäftsreisen. Daher werde der Flughafen München nicht an frühere Zahlen anknüpfen können.

Das deckt sich mit Einschätzungen der Gegenseite – ausgerechnet Lufthansa-Chef Carsten Spohr rechnet damit, dass die Krise den Luftverkehr dauerhaft treffen wird. „Das Reiseverhalten der Menschen wird sich ändern – privat und beruflich“, sagte Spohr Anfang Mai auf der Lufthansa-Hauptversammlung. Die globale Nachfrage nach Flugreisen werde „auch langfristig nicht mehr so dynamisch wachsen“ wie zuvor.

2019 hatte der Flughafen 417 000 Flüge verzeichnet – nur 2007 und 2008 (432 000) waren es mehr. Magerl sagt dazu: „Ich gehe nicht davon aus, dass das 2019er-Niveau auf absehbare Zeit erneut erreicht werden wird.“

Zwar dürfte es nach dem „Lockdown“ nun ab Juni wieder langsam aufwärts gehen am Flughafen. Wie berichtet, wird die Lufthansa die Zahl der Flüge (auf bescheidenem Niveau) im Vergleich zum Mai verdreifachen. Auch andere Fluggesellschaften werden wieder aktiv, wie der Flughafen am Freitag erklärte: Die griechische Fluglinie Aegean etwa hat ihre Verbindung nach Athen mit zunächst drei Flügen in der Woche wieder aufgenommen. Auch Alitalia, die KLM, AirBaltic und Luxair starten wieder. Doch insgesamt ist es noch ein verhaltener Beginn – die Flüge werden allein am Terminal 2 abgewickelt, Terminal 1 bleibt noch geschlossen. Magerl rechnet damit, dass der Flughafen 2020 bei der Zahl der Flüge auf dem Niveau des Eröffnungsjahres 1992 landen wird – da waren es 192 000 Starts und Landungen, also nicht mal halb so viele wie im vergangenen Jahr. Schadenfreude wegen des dramatischen Niedergangs empfinde er nicht, betont Magerl: „Für die Beschäftigten mit Angst um Jobs oder in Kurzarbeit ist das natürlich schlimm.“

Der Appell für den Startbahn-Verzicht, so viel scheint sicher, dürfte fürs Erste ungehört verhallen. Bayerns Verkehrsministerium verweist auf Fragen nach der 3. Startbahn fast standardmäßig auf den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern. Demnach liegt das Projekt bis zur Wahl 2023 auf Eis.

„Aufgemuckt“ indes hat ein Problem: Der traditionelle Dank an München fällt diesmal wohl aus. Am 17. Juni 2012 hatten die Münchner in einem Bürgerentscheid den Bau der Startbahn abgelehnt – und, da die Stadt München Minderheitseigner des Flughafens ist, die Umsetzung des Baurechts verhindert. Magerl: Corona-bedingt wird es acht Jahre danach wohl keine Feier geben.

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