Abstands-Probleme auf schmalen Straßen

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI UND ALEXANDRA KORIMORTH

München – Das Stichwort heißt Abstand. Das gilt nicht nur für die sozialen Kontakte in Zeiten von Corona, sondern auch für den Straßenverkehr. Auch hier trat mit einer Gesetzesnovelle am 28. April eine neue Abstandsregel in Kraft: Ein Fahrzeug, das einen Radfahrer oder Fußgänger überholt, muss innerorts eineinhalb Meter und außerhalb zwei Meter Abstand einhalten. Zuvor war lediglich schwammig ein „ausreichender Sicherheitsabstand“ vorgeschrieben. Jetzt gibt es zum Schutz der Radfahrer genaue Vorgaben – und bei Verstößen droht ein Bußgeld.

Doch: Manche Straßen sind so eng, dass es vor allem für große Fahrzeuge schwer ist, beim Überholen Abstand zu halten. So zum Beispiel für die Busse, die in der Gemeinde Rottach-Egern (Kreis Miesbach) von der Monialm über die Valepp zum Spitzingsee gefahren sind. Jetzt hat die Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO) beschlossen, diese Linie einzustellen. Die Straße sei nicht breit genug, um den Zwei-Meter-Abstand immer zu gewährleisten. „Da müssen wir rein rechtlich auch die Fahrer aus dem Feld nehmen“, sagt Peter Bartl von der RVO. Den Radfahrern hinterher zu fahren, sei auch schwer: „Da ist Ärger programmiert. Es ist mit dem Fahrplan nicht machbar.“

Bei anderen schmalen Strecken dagegen fahren die Busse weiterhin, wie zum Beispiel beim Kesselberg im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Auch dort kann wegen einer Straßenteilung nicht überall überholt werden. Aber: „An uns wurde nicht herangetragen, dass es Änderungen geben wird“, sagt Sabine Schmid von der Pressestelle des Landratsamts. Auch der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund plant keine Einschränkungen: „Es werden keine Strecken geändert“, bestätigt MVV-Sprecherin Franziska Hartmann. Sollte es Probleme geben, müsse man zwar reagieren. „Aber bisher war das nicht der Fall.“ Die Busfahrer seien auf die neuen Regeln hingewiesen worden. Sicherheit ginge vor: „Wenn das Überholen nicht möglich ist, müssen sie hinter dem Fahrrad bleiben“, erklärt sie.

Darauf weist auch Markus Drexler, Sprecher des Bayerischen Bauernverbands, hin. Denn für Landwirte mit breiten Traktoren sei es ebenfalls nicht immer einfach, den Mindestabstand einzuhalten. „Auf manchen Feldwegen und engen Straßen im Dorf geht es jetzt gar nicht mehr, zu überholen“, sagt Drexler. „Dann müssen die Landwirte hunderte Meter einem Radfahrer folgen.“ Er plädiert für Kompromisse. „Grundsätzlich ist einfach gegenseitige Rücksichtnahme wichtig“, sagt er. Bauern müssten auf Fußgänger, Jogger und Radler Acht geben – aber diese vielleicht auch einmal auf ihr Recht verzichten. „Es wäre eine große Hilfe, wenn Radler bei manchen Situationen absteigen und den Landwirt vorbei lassen würden“, erklärt er.

Letztlich muss aber immer der Schutz aller Verkehrsteilnehmer Vorrang haben, betont Alexander Huber, Sprecher beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd. „Wenn nicht genug Platz ist, dann kann ich einfach nicht überholen“, sagt er. Schwerpunktkontrollen zum Mindestabstand seien wegen der Gesetzesnovelle nicht vorgesehen. „Wir kontrollieren nach Unfallschwerpunkten, nicht nach Gesetzesänderungen“, erklärt er.

Ähnlich ist es im Polizeipräsidium Oberbayern Nord. „Die Beweisführung ist schwierig“, sagt Sprecherin Sina Bobek. Seit der Einführung der neuen Regeln seien im gesamten Präsidialbereich zwei Verstöße geahndet worden, weil der Mindestabstand nicht eingehalten wurde. „Einmal war es eine Gefährdung, einmal eine Schädigung“, sagt Bobek.

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