München – Der 22. Feburar 2019 hat sich bei Polizeikommissar Johannes Dürr ins Gedächtnis eingebrannt. An diesem Tag flippte bei einer Verkehrskontrolle ein Mann aus. Er prügelte erst auf Dürrs Kollegin ein und drückte dem jungen Polizisten dann mit beiden Daumen mit voller Kraft auf die Augen. „Ich hatte Angst, zu erblinden“, sagt der heute 24-Jährige.
Solche Übergriffe auf Polizisten sind kein Einzelfall. In Summe weist das seit 2010 erhobene Lagebild zur Gewalt gegen Polizeibeamte 18 484 betroffene Polizisten aus, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gestern mitteilte. 2018 hatte die Zahl noch bei 17 367 gelegen. Damit sei bei der Gewalt ein „sehr bedenklicher Höchstwert erreicht“, sagte Herrmann. Jeder Angriff auf die Polizei sei ein Angriff auf die demokratischen Grundwerte, das dürfe sich der Rechtsstaat nicht gefallen lassen.
Das Lagebild verzeichnete im vergangenen Jahr 7959 Vorfälle, in denen Polizisten attackiert wurden, meist körperlich (4501). Dabei wurden 2599 Polizisten verletzt, auch dies ist ein neuer Höchstwert. In 17 Fällen seien Polizisten mit Schusswaffen angegriffen worden, 106 Mal mit Hieb- und Stichwaffen. Der größte Anteil entfalle auf Beleidigungen und Widerstände gegen Vollzugsbeamte.
In der Folge fielen die betroffenen Polizisten an 4369 Arbeitstagen aus. In den vergangenen fünf Jahren sei damit eine Steigerung um 125 Prozent zu verzeichnen, so Herrmann. Glücklicherweise seien zumindest aber die Tötungsversuche von elf auf drei zurückgegangen.
Von den 6623 registrierten Tätern und Verdächtigen hätten 4432 unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gestanden. Diese Substanzen würden damit eine „gewaltige Rolle“ bei der Suche nach Erklärungen ausmachen, sagte Herrmann. Gewalt gegen Polizisten sei zudem „in erster Linie ein Problem mit Männern“, 87 Prozent der Angreifer seien männlich, zudem stammte der überwiegende Teil aus Deutschland (4738).
Auch Rettungskräfte erleiden immer mehr Angriffe –insgesamt registrierte die Polizei 2019 mehr als 300 Straftaten, 2018 waren es noch etwa 200 gewesen. Bei den Mitgliedern der Feuerwehren verzeichnete die Statistik für 2019 und 2018 mit je rund 80 Vorfällen nahezu gleichbleibende Zahlen.
Zum Schutz der Polizisten habe der Freistaat in den vergangenen Jahren rund 120 Millionen Euro in die Ausstattung investiert, zudem wurde vor rund drei Jahren der Strafrahmen für Angriffe auf Polizeibeamte verschärft.
SPD, Grüne und Freie Wähler im Landtag forderten angesichts der neuen Zahlen einen besseren Schutz der Einsatzkräfte. Die Grünen plädierten für mehr Alkohol- und Gewaltprävention. Die SPD forderte zudem neben Schutzausrüstungen auch Hilfen bei der Bewältigung von den „oftmals traumatischen Ereignissen“. Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl forderte eine gesellschaftliche Reaktion. Die Täter müssten nicht nur die absolute Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen, „sondern auch unsere Verachtung.“