München – So viele Eier wie in den vergangenen Wochen hat Doris Reichlmayr lange nicht verkauft. In Zeiten von Corona standen vor dem Engelsberger Hofladen in Fürstenfeldbruck am Morgen regelmäßig die Kunden Schlange. „Wir hatten in den letzten Wochen etwa ein Drittel mehr Umsatz“, sagt Reichlmayr. Seit 25 Jahren verkauft die Familie auf ihrem Naturland-Betrieb ihre Lebensmittel im Hofladen. In zweieinhalb Jahrzehnten hat Doris Reichlmayr gelernt: „In Krisenzeiten rückt die Regionalität mehr ins Bewusstsein.“ Das sei in der BSE-Krise so gewesen, nach diversen Eier-Skandalen – und es ist auch jetzt wieder so.
Nicht nur in Doris Reichlmayrs Hofladen. Supermarktketten, Erzeugerverbände, Gemüsekisten-Anbieter – sie alle berichten von einem Boom beim Verkauf von regionalen Lebensmitteln in den vergangenen Wochen. „Es ist ein positiver Schub erkennbar und das freut uns sehr“, sagt der Präsident des Bayerischen Bauernverbands Walter Heidl. In der Pandemie greifen ganz offensichtlich wieder mehr Kunden zum regionalen Salat und zur heimischen Kartoffel. Aber woran liegt das? Und ist dieser Wandel im Einkaufsverhalten von Dauer?
Auf der Suche nach der Ursache für die Rückbesinnung aufs Regionale hat Doris Reichlmayr nach ihren täglichen Gesprächen mit den Kunden durchaus eine Erklärung: „In der Medizin wird darüber diskutiert, dass Medikamente oder Schutzkleidung wieder vermehrt vor Ort produziert werden müssten. Und das übertragen die Menschen wohl auch auf den Kauf ihrer Lebensmittel.“ Dazu kämen aber ganz praktische Gründe für den größeren Andrang in ihrem Hofladen. „Es wird derzeit einfach mehr zu Hause gegessen.“ Die Außer-Haus-Versorgung ist oft weggebrochen, bei den Familien wird mehr gekocht. Und im Homeoffice bleibt plötzlich Zeit für ein Rührei zum Frühstück. Außerdem glaubt Reichlmayr, dass sich die Kunden in einem kleineren Laden wie ihrem, wo derzeit nur vier Kunden gleichzeitig sein dürfen, sicherer fühlen als in der Schlange an der Supermarktkasse.
Auch beim Erzeugernetzwerk „Unser Land“, das regionale Produkte in elf bayerischen Landkreisen rund um München und Augsburg vermarktet, beobachtet man einen enormen Umsatzanstieg. „Im März und April haben wir deutliche Zuwächse bei Mehl, Kartoffeln, Eiern und Sauerkonserven verzeichnet“, sagt Geschäftsführer Steffen Wilhelm. Bei den Eiern könne die große Nachfrage aktuell nicht mehr bedient werden. „Uns fehlen rund 135 000 Eier pro Woche“, sagt Wilhelm. Auch bei anderen Produkten müsse erst wieder die neue Ernte abgewartet werden. Wilhelm beobachtet auch, dass im städtischen Bereich der Bio-Absatz deutlich anwächst, im ländlicheren Raum greifen die Kunden eher auf regionale, aber nicht zwingend biologisch angebaute Ware zurück. „In der Krise spürt der Verbraucher offenbar die Sicherheit regionaler Produkte“, schlussfolgert Wilhelm. Und er glaubt durchaus, dass die höhere Nachfrage anhält. „Gerade in unserer Region, wo die Kaufkraft doch sehr hoch ist, scheint die ,Geiz ist geil‘-Mentalität allmählich nachzulassen“, sagt er. „Uns ist vor der Zukunft jedenfalls nicht bange.“ Und auch Bauernpräsident Walter Heidl zeigt sich vorsichtig zuversichtlich, dass die Corona-Krise zu einem anhaltenden Sinneswandel in der Bevölkerung geführt hat.
Doris Reichlmayr vom Engelsberger Hofladen ist da etwas skeptischer. Angesichts der Erfahrung nach früheren Krisen glaubt sie, dass sich der Andrang nach und nach wieder legen wird. „Wenn alles wieder seinen geregelten Gang geht, wird der ein oder andere wohl wieder andere Prioritäten setzen.“
Gerade für den Bio-Bereich mache die ausbleibende Außer-Haus-Versorgung den großen Unterschied, sagt Cordula Rutz, Geschäftsführerin von der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern. „Wenn viel zu Hause gekocht wird, wird auch viel Bio gekauft.“ Um diese Entwicklung auch nach der Corona-Pandemie zu erhalten, müsse künftig auch in Schulmensen und Betriebskantinen mehr Bio-Ware angeboten werden.