Benedikts emotionale Reise in die Vergangenheit

von Redaktion

Regensburg/Pentling – Mit ausgebreiteten Armen sitzt der emeritierte Papst Benedikt XVI. am Samstagabend in einem Krankentransporter im Rollstuhl und winkt. Durch die offene Schiebetür strahlt der 93-Jährige die Schaulustigen an, die sich vor seinem früheren Wohnhaus im oberpfälzischen Pentling versammelt haben. Neben dem Wagen steht lächelnd Benedikts Vertrauter Georg Gänswein und wartet einen Moment, ehe er die Türe schließt. Es ist ein Augenblick voller Freude – für den gebrechlich gewordenen Pontifex und für die überraschten und fotografierenden Zuschauer.

So unerwartet wie die Begegnung mit den Menschen in Pentling ist die gesamte Reise des früheren Papstes in seine alte Heimat in Bayern. Aber der Zustand seines 96 Jahre alten Bruders Georg Ratzinger hatte sich zuletzt deutlich verschlechtert, sodass der Wunsch, sich zu sehen, immer drängender wurde.

Neben den Besuchen beim erkrankten Bruder stand am Wochenende auch eine Stippvisite in Benedikts ehemaligem Wohnhaus in der nur wenige Minuten entfernt liegenden Gemeinde Pentling auf dem Programm. Zudem lässt er sich an das Grab seiner Eltern und seiner Schwester bringen. Chauffiert wird der emeritierte Papst vom Malteser Hilfsdienst, stets begleitet von einem Dutzend Fahrzeugen der Polizei und eines Spezialeinsatzkommandos. Während der Fahrten sitzt Benedikt in seinem Rollstuhl und winkt durch die getönten Scheiben den Schaulustigen am Straßenrand zu. Insgesamt findet der Besuch aber ohne großen Rummel statt. Es ist eine private Reise.

Besonders zu freuen scheint den früheren Pontifex der Besuch in seinem ehemaligen Wohnhaus. Dieses hatte er 1969 bauen lassen, bevor er seine Professur an der Universität Regensburg antrat. Bis 1977 wohnte er dort. Seit 2012 ist das Haus eine Tagungsstätte und gehört zum Institut Papst Benedikt XVI. Dessen stellvertretender Leiter Christian Schaller empfängt den ehemaligen Papst. Der sei gerührt gewesen, das Haus noch einmal sehen zu können. Einige Möbel sind erhalten, weitere Teile der Einrichtung rekonstruiert worden. Benedikt habe an der Wand hängende Fotografien angesehen und ein paar Minuten auf der Terrasse Platz genommen. Mit Blick in seinen früheren Garten.

Der wird von seinen Nachbarn, Therese und Rupert Hofbauer, gepflegt. Das Ehepaar ist dabei, als der Gast aus Rom am Samstag vorfährt. Sie kennen den „Heiligen Vater“, wie sie ihn noch immer nennen, seit 1973. Er habe nach ihren drei Kindern gefragt und nach dem Hund und der Katze. „Wir haben Neuigkeiten ausgetauscht“, sagt Therese Hofbauer (74). Für den Garten hätten sie ein großes Lob bekommen. „Er war selig“, sagt Rupert Hofbauer (76) über seinen früheren Nachbarn. Wie sehr Benedikt diese Reise freut, ist dem hochbetagten Mann deutlich anzusehen.

Der Besuch habe zwar einen traurigen Anlass, sagt Schaller, aber dennoch „ist er eine Kraftmaschine für beide Brüder“. Und Bistumssprecher Clemens Neck erzählt unter Berufung auf Gänswein, der Papst sei am Samstagabend nach den Besuchen bei seinem Bruder und in seinem Haus geradezu „euphorisch“ gewesen. Am Montag soll es nun in den Vatikan zurückgehen. Für die zwei Ratzinger-Brüder hat sich ihr Herzenswunsch erfüllt. UTE WESSELS

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