Corona: Erster Wiesn-Wirt gibt auf

von Redaktion

VON ANDREAS THIEME

München – Millionen von Gästen, die dieses Jahr zum Oktoberfest gekommen wären, bleiben wegen der Corona-Pandemie daheim. Den Wirten entgehen Millionen-Einnahmen. Das hat Folgen: Jetzt gibt der erste Wiesn-Wirt auf, weil ihm das Risiko zu hoch wird. Nach Informationen unserer Zeitung wird die Familie Heide ihr Festzelt Bräurosl abgeben. Sie will sich künftig auf ihren Stammbetrieb in Planegg (Landkreis München) konzentrieren. Tochter Daniela (37) plant mit ihrem Mann dort einen Neustart.

Seit dem Jahr 1901 ist die Pschorr-Bräurosl (6400 Plätze) auf der Wiesn vertreten –damals das erste Zelt mit elektrischer Beleuchtung. Seit 1936 hat die Familie Heide das Festzelt geführt, mittlerweile in der vierten Generation. Das Zelt stand im vergangenen Jahr zum letzten Mal in seiner bisherigen Form auf der Theresienwiese: Heuer sollte es runderneuert aufgebaut werden. Dafür gab’s sogar schon aufwendige Arbeiten für neue Fundamente. Jetzt ist der Neustart wegen Corona auf 2021 verschoben, und die neue Bräurosl wird dann auch einen neuen Wirt haben.

Die Familie Heide beantragt nach unseren Informationen keine Wiesn-Zulassung mehr. Die Gründe sind vielfältig. Zum einen fehlen Wirt Georg Heide die Wiesn-Einnahmen von heuer. Außerdem wären im nächsten Jahr hohe Investitionen im neuen Wiesnzelt angestanden. Das hätte zwar die Brauerei Hacker-Pschorr gebaut und gezahlt, aber auf die Familie Heide wären zusätzliche Kosten für neue Ausstattung zugekommen.

Entscheidend für den Ausstieg scheint das unkalkulierbare Risiko zu sein. Erst nach der offiziellen Zusage durch die Stadt, die traditionell im Mai erfolgt, können sich die Wirte gegen einen möglichen Ausfall des Oktoberfests versichern. Theoretisch zumindest. Praktisch scheint schon jetzt klar zu sein, dass kaum eine Versicherung die Verluste durch eine mögliche neue Welle übernehmen würde. Auch für den Fall, dass den Wirten durch eine abgespeckte Version des Oktoberfests Verluste entstehen. Die Kosten für die Wiesn-Vorbereitung (Personal, Material), die traditionell schon Mitte Januar beginnt, wären daher im Fall einer Absage zum zweiten Mal in Folge verloren. Für ein Familien-Unternehmen könnte das existenzbedrohend werden.

Deshalb hat die Familie entschieden: Die Wiesn wird ab sofort ohne sie stattfinden. „Natürlich sind alle traurig, dass das Kapitel Wiesn nach vielen Jahrzehnten nun endet. Aber es ist ein Entschluss, mit dem sich die Familie wohlfühlt“, sagt ein Insider. Denn die Familie habe ohnehin vorgehabt, ihren Betrieb umzustrukturieren: Ihre ganze Kraft und Leidenschaft soll nun in das traditionsbewusste Wirtshaus Heide-Volm fließen, das die Familie seit 1931 führt.

Die Eheleute Georg und Renate Heide ziehen sich dort aus der Geschäftsführung zurück und übergeben die Leitung an Tochter Daniela (37) und Schwiegersohn Pascal (37), die auch schon Verantwortung auf der Wiesn getragen haben: Daniela im Management und Pascal als Küchenchef der Bräurosl. „Der Plan, die Heide-Volm neu auszurichten, stand ohnehin“, heißt es. „Mit Corona hatte das nichts zu tun.“

Doch die unsichere Lage durch das Virus hat die Familie nun darin bestärkt, neue Wege zu gehen. Die Mitarbeiter des Restaurants haben gestern auf einer Betriebsversammlung vm Plan erfahren. Spannend wird nun, wen Hacker-Pschorr als Nachfolger Georg Heides für das Oktoberfest 2021 vorschlägt. Die Bräurosl ist nämlich – anders als etwa die Schottenhamel-Festhalle oder der Marstall – ein brauereigebundenes Zelt, bei dem das Unternehmen einen Wirt auswählt und ihn dann bei der Stadt vorschlägt.

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