Starnberg – Claudia S. aus dem Landkreis Starnberg hatte sich darauf verlassen, dass der Freistaat während des Lockdowns die Gebühren für Kindergärten und Kitas übernimmt. Denn genau das hatte Ministerpräsident Markus Söder Ende April verkündet. Zumindest für drei Monate werde der Freistaat bei den Gebühren einspringen, hatte Söder erklärt und hinzugefügt: „Ich glaube, das ist ein faires Signal an die Eltern in dieser schwierigen Lage.“
Für Claudia S. war damit die Sache klar. Sie selbst ist im Lebensmittelhandel tätig, ihr Mann arbeitet als Bäcker. Beide sind systemrelevant.
Zu Beginn der strikten Beschränkungen Mitte März stemmen die Eltern die Betreuung ihrer zweijährigen Tochter noch selbst. Das bedeutet: Der Vater verzichtet nach seiner Nachtschicht auf Schlaf. „Das konnte er aber auf Dauer nicht durchhalten“, sagt Claudia S. Beide sind froh, als ihre Tochter in die Notbetreuung gehen darf.
Vor Corona hatte Claudia S. ihre Tochter an vier Tagen in die Krippe gebracht. Während des Lockdowns veränderten sich aber ihre Arbeitszeiten, die Notbetreuung benötigte sie deshalb nur mehr an einem Tag in der Woche.
Trotzdem muss sie jetzt den vollen Monatsbetrag bezahlen – so, als hätte sie ihre Tochter an 16 und nicht an vier Tagen in die Einrichtung gebracht. Der Grund: Zwar hat die Staatsregierung beschlossen, Eltern in Sachen Gebühren mit insgesamt 170 Millionen Euro zu entlasten. Für Eltern, die ihre Kinder in die Notbetreuung gegeben haben, gilt dies jedoch nicht. „Wenn ein Kind in Notbetreuung betreut wird, leistet der Freistaat für dieses Kind im Monat keinen Beitragsersatz“, steht auf der Webseite des Familienministeriums. Und: „Auf den Umfang der in Anspruch genommenen Notbetreuung in diesem Monat kommt es dabei nicht an.“ Laut Ministerium waren Mitte April in Bayern 12 700 Kinder in der Notbetreuung.
„Wir müssen Familie S. leider die volle Monatsgebühr berechnen“, sagt Verena Fahrion von Fortschritt, einer gemeinnützigen GmbH aus dem Landkreis Starnberg, die in Bayern 37 Einrichtungen betreibt. „Würden wir die Gebühr erlassen, kämen wir in eine prekäre Schieflage.“ Aus diesem Grund käme auch eine taggenaue Abrechnung der Notbetreuung nicht in Frage. Weil Fahrion diese Situation aber als „große Ungerechtigkeit“ empfindet, hat sie jetzt einen Spendenaufruf gestartet. „Wir wollen erreichen, dass diese Eltern entlastet werden“, sagt sie.
Der Freistaat bietet den Trägern einen Beitragsersatz an. Dieser beläuft sich monatlich für Krippenkinder auf 300 Euro, für Kindergartenkinder zusätzlich zur bisherigen Förderung von 100 Euro auf weitere 50 Euro. Im Gegenzug dürfen die Träger für die Monate April bis Juni keine Elternbeiträge erheben bzw. müssen diese rückerstatten. „In unseren meisten Einrichtungen reichen die Pauschalen nicht aus, die tatsächlichen Kosten, etwa für das Personal zu decken“, sagt Fahrion. Auch andere private Träger kritisieren die Höhe der Pauschalen. Viele können es sich schlichtweg nicht leisten, auf die Elternbeiträge zugunsten der niedrigeren Pauschale zu verzichten.
In Odelzhausen (Landkreis Dachau) dagegen wurden bereits im April andere Tatsachen geschaffen. Der Gemeinderat beschloss, die Kita-Gebühren rückwirkend von März an und bis auf Weiteres zu erlassen. Explizit gilt diese Regelung auch für Eltern, die ihre Kinder tageweise in die Notbetreuung gebracht haben. In der Gemeinde Haar (Landkreis München) wurde bei der Notbetreuung die taggenaue Abrechnung beschlossen. Beim Defizit springt die Gemeinde ein, auch bei den freien Trägern.