München – Vergangene Woche gab die Staatsregierung den Startschuss: Corona-Tests für alle, ab sofort. Egal, ob Symptome vorhanden sind oder nicht. Doch stichprobenartige Anfragen bei mehreren Hausärzten aus der Region ergeben: Bislang ist die Nachfrage nach den freiwilligen Tests eher gering. Die Ärzte berichten lediglich von einzelnen Anfragen. „Der große Ansturm ist ausgeblieben“, sagt etwa Dr. Florian Meier, Versorgungsarzt im Landkreis Miesbach. Er glaubt, dass viele auch deshalb zögern, weil der Test nur einen begrenzten Erkenntnisgewinn bringe. Schließlich könne man sich unmittelbar nach einem negativen Ergebnis wieder anstecken.
Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagt, die Rückmeldung aus der Ärzteschaft zeige zwar, dass das Testangebot gut angenommen werde, die Arztpraxen seien zum Auftakt aber auch nicht überrannt worden. Konkrete Zahlen gibt es laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) noch nicht. Eine genaue Bilanz könne man erst nach dem ersten Abrechnungszeitraum von drei Monaten ziehen, sagt KVB-Sprecher Axel Heise.
Aktuell sind in Bayern laut Ministerium 21 000 Tests täglich möglich, die Laborkapazitäten könnten auf bis zu 32 000 Tests pro Tag ausgebaut werden. Die Kosten für den freiwilligen Corona-Test übernimmt der Freistaat. Denn die Krankenkassen zahlen nur, wenn Symptome vorliegen. Für Testwillige empfiehlt die KVB einen Anruf beim Hausarzt. Um Patienten mit und ohne Symptome zu trennen. Und um zu erfahren, ob der jeweilige Arzt den Test überhaupt durchführt – denn nicht alle bieten diesen zusätzlichen Service an. „Bei der Abrechnung müssen sich die Getesteten aber um nichts kümmern, das läuft über uns“, sagt KVB-Sprecher Heise. Dafür klagen manche Ärzte über bürokratische Schwierigkeiten, etwa weil sie nun bei ihren Patienten den Ausweis kontrollieren müssen, um zu prüfen, ob derjenige auch tatsächlich in Bayern wohnt.
Wie sinnvoll die Tests für alle sind, darüber gehen die Meinungen nicht nur in der Politik, sondern auch unter den Ärzten auseinander. Dr. Nikolaus Klecker, Bezirksvorsitzender im Bayerischen Hausärzteverband und Allgemeinarzt in Rosenheim, kritisiert: „Das ist zum jetzigen Zeitpunkt rausgeschmissenes Geld. Fehlt bloß noch, dass dann im Herbst bei einer zweiten Welle nicht mehr ausreichend Testkits vorhanden sind.“ Sein Berufskollege Dr. Florian Bonke, Betreiber der Corona-Schwerpunktpraxis für das Inntal in Flintsbach, hält die kostenlosen Tests für alle dagegen für sinnvoll, „wenn man verantwortungsbewusst damit umgeht“. Etwa bei Menschen, die zu Hause Angehörige pflegen. Oder bei Urlaubern, die aus dem Ausland zurückkehren und unsicher sind, ob sie sich angesteckt haben.
So einen Fall hat auch der Schongauer Hausarzt Martin Kayser bereits gehabt. Bei ihm ließ sich ein Türkei-Urlauber testen. Weil für den Staat am Bosporus noch immer eine Reisewarnung gilt, musste der Mann sich nach der Rückkehr in Quarantäne begeben. Das negative Testergebnis erlaubte ihm, diese zu verkürzen. Auch vor einer anstehenden Operation, vor Besuchen in Seniorenheimen oder vor Urlaubsreisen in Regionen, die einen negativen Test verlangen, könne das kostenlose Angebot in Bayern eine Lücke schließen, heißt es bei den Ärzten.
Getestet wird aber auch außerhalb der neuen Offensive des Freistaats: So hat etwa die Gemeinde Neuried im Kreis München auf eigene Faust eine große Testreihe auf die Beine gestellt. In Kooperation mit ortsansässigen Biotech-Unternehmen wurden am Wochenende 910 Freiwillige aus der Gemeinde getestet – sowohl auf eine Infektion als auch auf Antikörper. In den kommenden Tagen soll dadurch klarer werden, ob möglicherweise deutlich mehr Gemeindebürger infiziert waren, als bislang angenommen. dg/bo/rg/mas/mel/vs