Der neue Kita-Alltag in Krisenzeiten

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

München – Es ist wieder Leben eingekehrt in den Kindertagesstätten. „Die Kinder haben sich sehr gefreut, ihre Freunde wiederzusehen und mit ihren Spielsachen zu spielen“, sagt Tina Staudt, Leiterin des Kindergartens Kinderwelt in Hohenbrunn (Kreis München). Seit 1. Juli werden in Bayerns Kitas wieder alle Kinder betreut – der normale Alltag ist aber noch nicht zurück. In Hohenbrunn flattern jetzt zum Beispiel im Garten Absperrbänder. Sie sollen verhindern, dass sich die verschiedenen Gruppen beim Toben draußen begegnen. „Den Kindern fällt es schon schwer, das zu verstehen“, sagt Staudt. „Sie sehen ja ihre Freunde und können ihnen winken, aber nicht mit ihnen spielen.“

Doch die Trennung der Gruppen ist eine wichtige Maßnahme der Kitas im Kampf gegen das Coronavirus. „Offene Angebote sind zurzeit leider nicht möglich“, erklärt auch Bianca Zimmermann, Leiterin des Kinderhauses Mariä Himmelfahrt in Dachau. Das sogenannte „Was ist was“-Team der Kita kann nicht experimentieren und auch ein Musiker, der normalerweise einmal in der Woche mit den Kindern musiziert, darf nicht kommen. „Wir dürfen leider nicht singen“, sagt Zimmermann. Außerdem mussten die Öffnungszeiten täglich um eine Stunde reduziert werden. Ziel ist aber, den Kindern so viel Normalität wie möglich zu bieten. Dabei immer den Abstand zu halten, sei kaum möglich: „Vor allem die kleinen Kinder brauchen Nähe.“

Ähnlich sieht es ihre Kollegin Sandra Liebold, Leiterin des Kinderhauses „Zum Sonnenschein“ in Erding: „Ein Kind muss man manchmal auch in den Arm nehmen, um es zu trösten“, sagt sie. „Auch den ganzen Tag Mundschutz zu tragen, geht nicht.“ Denn Kinder müssten die Mimik erkennen können.

Umso wichtiger ist, dass keine kranken Kinder die Krippe oder den Kindergarten besuchen. Auch wer nur eine Schnupfnase hat, muss zu Hause bleiben. „Zum Wohl aller Kinder müssen wir streng sein“, erklärt Liebold. Nur für Kinder mit nachweislich chronischen Krankheiten wie zum Beispiel Asthma gibt es Ausnahmen. Die meisten Eltern würden das akzeptieren. „Aber es gibt auch einzelne, die überhaupt kein Verständnis haben“, sagt Liebold. „Die Krise geht eben an die Substanz der Familien.“

Deshalb kommt es jetzt vor allem auf eine gute Kommunikation an, erklärt Maria Magdalena Hellfritsch, Geschäftsführerin des Verbands katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern: „Man kann nur um Verständnis werben“, sagt sie. „Aber man merkt, dass die Eltern unter Druck stehen.“ Ähnliche Rückmeldungen hat auch Monika Brinkmöller vom Evangelischen Kita-Verband Bayern bekommen: „Für viele Eltern ist es extrem schwierig, weil sie ihre Urlaubs- und Kinderkranktage schon verbraucht haben“, berichtet sie. Sorgen bereite vielen Familien außerdem die Frage, wie sie die Betreuung organisieren, falls ihre Einrichtung wegen eines Corona-Verdachtsfalls schließen muss.

Andere Eltern wiederum haben das Problem, dass ihre Kinder sich nach der langen Pause fremd in der Kita fühlen: „Bei manchen Krippenkindern muss man mit der Eingewöhnung wieder von vorne anfangen“, sagt Hellfritsch. Das sei nicht leicht, weil sich die Eltern gerade möglichst wenig in den Einrichtungen aufhalten sollen. „Im September, wenn die neuen Kinder kommen, wird es noch schwieriger werden“, vermutet sie.

Hinzu kommt, dass es in vielen Kitas bereits vor Corona Personalmangel gab – und der hat sich teilweise verschärft. Das bemängelt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW), die in einer Umfrage 850 Beschäftigte in sozialpädagogischen Berufen befragt hat. Sie fordert außerdem einen besseren Schutz von Mitarbeitern, die zur Risikogruppe gehören. Es müsse „dringend umgesteuert werden“, so Gewerkschaftssekretär Mario Schwandt. Ansonsten sei eine Infektion „nur eine Frage der Zeit“.

Kita-Leiterin Sandra Liebold stört vor allem eines: „Es ist schwer nachvollziehbar, dass Erzieher in der Corona-Krise anders behandelt werden als Lehrer“, sagt sie. Beide Berufsgruppen müssten gleich geschützt werden. Denn: „Ein bisschen Sorgen um meine Mitarbeiter mache ich mir schon.“

Artikel 1 von 11