Die Bilanz der Bienen-Retter

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER UND DIRK WALTER

München – Jubel auf der Zuschauertribüne, erleichterte Miene beim Ministerpräsidenten – das waren die Bilder heute vor einem Jahr im Landtag, als die Abgeordneten das Volksbegehren zum Artenschutz angenommen haben. Jubel bei den Initiatoren, die der Staatsregierung mithilfe der Bevölkerung eine grünere Politik diktiert hatten. Und Erleichterung bei Söder, weil trotz lauten Grummelns keiner aus der CSU-Fraktion gegen seinen Weg eines „Volksbegehrens Plus“ stimmte. Ein Jahr danach ziehen Staatsregierung und Initiatoren Bilanz.

Umweltminister Thorsten Glauber (FW) spricht von einem „Meilenstein für die Artenvielfalt“, von 170 neu geschaffenen Stellen für den Naturschutz, einem „Paket, das sich sehen lassen kann“ und das auch in der Umsetzung auf einem guten Weg sei. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) nennt das Volksbegehren etwas vorsichtiger ein „Mammutprojekt“, dessen Maßnahmen für das Agrarressort aber bereits zu einem Großteil umgesetzt seien.

In dieses Lob wollen die Initiatoren nicht so ganz einstimmen. Sie hatten im Herbst Professor Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen damit beauftragt, die Umsetzung der insgesamt 86 Maßnahmen zu dokumentieren – als eine Art „Erfolgskontrolle“, die aber getrost auch als jährliche Mahnung verstanden werden darf. Denn auf der Kontrollliste des Forschers sind bislang noch nicht allzu viele Punkte mit einer grünen Ampel als erledigt gekennzeichnet. Ein Häkchen setzt er bei Maßnahmen wie der Einrichtung zusätzlicher Öko-Modellregionen und Wildlebensraumberatern oder der Förderung einer artenreichen Gartenkultur. Aber viele andere Punkte seien entweder noch in der Umsetzung – oder es gebe schlicht keine Daten dazu. Lenz bilanziert: „Es tut sich etwas. Aber es könnte sich noch etwas mehr tun.“

Agnes Becker von der ÖDP, die das Volksbegehren initiiert hat, sagt: „Für die bisher gezeigten Leistungen bekommt die Staatsregierung von uns Lob und Tadel.“ Lob gibt es etwa für die neu ausgewiesenen Schutzgebiete im Wald, unter anderem in den Donauauen. Tadel dagegen für die gekürzten Förderungen für Öko-Landwirte, die Agrarministerin Kaniber zuletzt mit Verweis auf EU-Recht verteidigte. Auch die aus Sicht Beckers zu zögerliche Förderung für Bio-Lebensmittel in staatlichen Kantinen ärgert die Initiatoren. Ludwig Hartmann von den Grünen kritisiert eine Verwässerung der Ziele des Volksbegehrens beim Schutz von Streuobstwiesen. „Hier stehen jetzt weniger Flächen unter Schutz als vorher.“ Und auch die nur langsam voranschreitende Biotop-Kartierung bleibt weiter ein Zankapfel. „In 31 Landkreisen sind die Kartierungen über 20 Jahre alt“, sagt Hartmann. Umweltminister Glauber gelobt hier Besserung. Künftig sollen fünf Landkreise pro Jahr neu kartiert werden, statt den derzeitigen drei bis vier.

Der Bayerische Bauernverband kritisiert zum ersten Geburtstag des Volksbegehrens, dass weiterhin konkrete Vereinbarungen für die Akteure außerhalb der Landwirtschaft ausbleiben. Zudem fehlten immer noch Maßnahmen gegen den ständigen Verlust von Landwirtschaftsflächen.

Doch im Kampf gegen den Flächenfraß braut sich außerhalb des Parlaments etwas zusammen. Unter anderem deswegen, weil die CSU die Gültigkeit eines umstrittenen Paragrafen im Baugesetzbuch verlängern will. Damit werden Umweltprüfungen bei Bebauungsplänen am Ortsrand ausgeschaltet. Der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel, der sich hier engagiert, ist empört über den Widerstand seiner Parteifreunde („klingt wie Hohn“). Ohnehin sind Flächenfraß-Gegner, die sich in einem Gesprächszirkel mit Ludwig Hartmann regelmäßig austauschen, über das bayerische Wirtschaftsministerium verärgert. Es finde keinen Weg, um den Flächenverbrauch fest auf fünf Hektar pro Tag zu begrenzen, ohne dabei die Gemeinden zu vergrätzen. Diese wehren sich dagegen, dass die fünf Hektar auf Gemeindegrößen runtergebrochen werden. „Wenn das aber nicht geschieht, ist das eine Täuschung“, sagt Göppel. Er würde ein neues Volksbegehren begrüßen und unterstützen – freilich erst nach der Corona-Krise.

Neues Begehren in Planung

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