München – Ein halbes Jahrhundert nach der Abschaffung der Messe auf Latein wird sie heute wieder von hunderten Katholiken in Deutschland gefeiert. Die Laienvereinigung „Pro Missa Tridentina“, die sich für diese alte Form des Gottesdienstes einsetzt, zählt bundesweit 150 Orte, an denen dieser Ritus derzeit zelebriert wird. 2008 waren es noch um die 120. Jetzt sollen auch die Bistümer zählen. Die Glaubenskongregation im Vatikan hat sie aufgerufen, bis zum Ende dieser Woche Informationen zur Verbreitung dieser Messform vorzulegen. Sie sollte nach der Liturgiereform von Papst Paul VI. im Jahr 1970 eigentlich der Vergangenheit angehören, wurde aber von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 mit dem „Motu Proprio Summorum Pontificum“ wiederbelebt.
„Der Schritt von Papst Benedikt damals hatte schon eine Symbolkraft, die ich nicht unproblematisch fand“, sagt der Theologe Winfried Haunerland, Professor für Liturgiewissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Heute sehe er daran zwar „nichts Kirchenspalterisches mehr“, aber: „Das ist nicht alles völlig harmlos. Die Judenfürbitte am Karfreitag beispielsweise wurde 1970 ganz bewusst anders formuliert, und wenn man eine Formulierung, von der man sich bewusst getrennt hat, wieder einführt, hat das eine bestimmte Wirkung.“
Wie die „Herder Korrespondenz“ berichtet, sind in dem Schreiben der Glaubenskongregation aus diesem Frühjahr neun Fragen aufgelistet. Darunter: „Welche positiven oder negativen Aspekte hat der Gebrauch der außerordentlichen Form Ihrer Meinung nach?“
Die Deutsche Bischofskonferenz hat nach Angaben einer Sprecherin noch keine Zahlen, weil der Vatikan noch sammelt. Ein beispielhafter Blick in die bayerischen Bistümer zeigt jedenfalls ein diffuses Bild. Im Bistum Passau nehmen nach Angaben einer Sprecherin an fünf verschiedenen Standorten insgesamt zwischen 150 und 200 Menschen an einer solchen Messe teil, bei der der Priester meist mit dem Rücken zur Gemeinde steht und die Gläubigen die Kommunion nicht mit den Händen empfangen, sondern kniend mit dem Mund. Der Domvikar Georg Schwager, der im Bistum Regensburg die lateinische Messe feiert, sagt, dass „wir nach wie vor wachsen, nicht in großen Zahlen, aber kontinuierlich“.
Im nach Katholikenzahlen größten bayerischen Bistum München und Freising ist die alte Messe dagegen die absolute Ausnahme, wie ein Sprecher sagt – und das Interesse daran nach einem kurzen Hype 2007 rückläufig. Derzeit gebe es in der Diözese acht Messorte, an denen Priester der Priesterbruderschaft St. Petrus und des Instituts Christus König und Hohepriester die Gottesdienste feiern. Von denen will allerdings auf Anfrage niemand darüber sprechen.
Redseliger sind die Teilnehmer einer lateinischen Messe in Grafing bei München an einem Montagabend Ende Juni, zu der rund 20 Menschen gekommen sind. Die Messe erinnere sie an ihre Kindheit, sagen die eher älteren Gläubigen. Sie sei feierlicher und es gebe mehr Zeit für das persönliche Gebet. Schnell dreht sich das Gespräch aber auch um die „Amtskirche“, die einigen hier eher Feind als Freund ist, um den reformfreudigen Kardinal Reinhard Marx, der nur noch Feind ist, die „Pforten der Hölle“, die angebliche Bedrohung einer muslimischen Weltrevolution – und einen zu liberalen Papst.
Bei der Umfrage des Vatikans gehe es nicht primär um die lateinische Sprache, sondern vor allem darum, wofür dieser Ritus stehe, sagt der Theologieprofessor Haunerland. „Es gibt Teile – das sind nicht alle und ich hoffe auch, dass es nicht die meisten sind –, bei denen es um eine gewisse Distanzierung vom Zweiten Vatikanum geht.“ Das Zweite Vatikanische Konzil von 1962 gilt als Wendepunkt und als Moment, in dem die katholische Kirche sich für die Welt öffnete.
Monika Rheinschmitt ist die Vorsitzende der Laienvereinigung „Pro Missa Tridentina“. Aus ihrer Sicht nehmen die Mitglieder ihrer Gottesdienstgemeinde den katholischen Glauben noch ernst. Sie betont, dass im Katechismus nichts von Homosexuellen-Ehe oder von Frauen als Priesterinnen stehe. Verärgert ist sie auch darüber, dass ihre Kirchensteuern auch für den Reformprozess „Synodaler Weg“ ausgegeben werden. „Da, wo katholische Kirche draufsteht, muss auch katholische Kirche drin sein“, findet sie.
Rückblickend sagt Theologe Haunerland: „2007 hatte ich – wie viele andere – die Befürchtung, dass der Streit um alten oder neuen Ritus in die Gemeinden hineingetragen wird. Benedikt selbst hatte die Hoffnung, mit der Erlaubnis des alten Ritus ein Versöhnungsangebot an die Traditionalisten zu machen.“ Seine Bilanz: „Beides hat sich nicht bestätigt.“