Brautwerbung im Jahr 1913

von Redaktion

SCHRIFTSTÜCKE UND IHRE GESCHICHTE Großeltern lernten sich per Post kennen

München – Auf Empfehlung der Frau Stadtförster Wallner fühle ich mich veranlaßt, meine Angelegenheit Ihnen zu unterbreiten. Mit diesen Worten beginnt ein Brief, der über hundert Jahre alt ist. Für Erwin Preininger ist er ein wichtiges Puzzleteil zu seiner Familiengeschichte. Es war der erste Brief, den sein damals 33-jähriger Großvater an eine junge Frau schrieb, die er heiraten wollte. Und natürlich ist es auch ein Stück Zeitgeschichte, das in seiner Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Deshalb weiß Preininger von seiner Mutter, wie es damals zu dem Brief gekommen ist.

„Mein Großvater Fritz Wittmann lebte 1913 in der Oberpfalz, seine Schwester kümmerte sich für ihn um den Haushalt, wollte aber unbedingt nach München“, erzählt Preininger. In München wiederum arbeitete ein gewisses Fräulein Margaretha als Hausmädchen in der Familie eines Kapellmeisters. Sie war im selben Dorf wie Wittmann aufgewachsen, die beiden kannten sich flüchtig – und verdankten es letztlich der Vermittlung der Frau Stadtförster Wallner, dass sie trotz der Entfernung wieder Kontakt zueinander bekamen. Fritz Wittmann wollte sich wirtschaftlich erst etwas aufbauen, bevor er eine Familie gründete. Mit 33 war ihm das gelungen – und er ging auf Brautschau. Per Post.

Preininger konnte die alte Deutsche Handschrift entziffern. Und musste das ein oder andere Mal sehr schmunzeln. Sein Großvater schrieb am 20. März 1913: Ich möchte Ihnen ganz reinen Wein einschenken und Ihnen bestätigen, dass ich in keiner Weise schon unter den vielen Empfohlenen noch nie ein offizielles Wort gesprochen, weder noch anderen als Ihnen eine Zeile geschrieben habe, also völlig auf Ihre Entscheidung angewiesen bin. Und verzeihens, wenn ich Ihnen belästige, denn ich habe auf Grund Ihrer Erziehung, Bekanntsein Ihrer Eltern und auf Ihre lange Jahre Dienstzeit unter fremden Leuten, hin zu Fr. W. gesagt, ja diese Person imponieret mich, das wäre mein Ideal, Ihres sachlichen, ruhigen Benehmens wegen. Nun werthe Margaretha ersuche ich Sie in strengster Verschwiegenheit, mit Ihren Eltern brieflich von meinem Schreiben Mitteilung zu machen und dann Ihre Entscheidung Ihren Eltern oder der Fr. W. zu machen, wenn Sie vielleicht den Mut nicht hätten, mir persönlich zu antworten. Es gereicht mir aber zur großen Freude, wenn Sie mir im selben Sinn antworten würden und zwar in so offener unverhehlter ehrlicher Weise, wie ich Ihnen geschrieben habe. Für eine baldigst gütige Mitteilung entgegen sehent grüßt Sie in aller Ergebenheit Fritz Wittmann, Schreinermeister.

Die gütige Mitteilung des Fräuleins kam schnell – denn den nächsten Brief schrieb Wittmann nur sieben Tage später. Er hatte bereits mit ihren Eltern Kontakt aufgenommen und deren Segen bekommen. In seinem nächsten Brief berichtete er seiner Angebeteten etwas mehr über sich – und versuchte, Ihre Erwartungen nicht zu groß werden zu lassen: Ich möchte bemerkten, dass ich schon 33 Jahre alt bin: nicht, damit Sie getäuscht würden, wenn Sie vielleicht glauben, ich sei recht reich, recht jung und schön.

Seine Offenheit zahlte sich aus – aus den ersten Briefen wurden schnell große Gefühle. Am 14. Mai 1913 schrieb er seiner Angebeteten: Zwei Tage sind erst in das Meer der Ewigkeit verflossen, seitdem ich von Dir Abschied nehmen musste, doch dünkt es mir so schwer ums Herz, als seien es nicht Tage, ja sogar schon Monate. Denn wo ich gehe und stehe schwebt mir Dein jungfräuliches, holdes Antlitz im Geiste vor Augen. Mir ist oft, als höre ich Deine milde Stimme in mein Ohr sprechen…

Natürlich hatte die Geschichte von Schreinermeister Fritz Wittmann und seinem Fräulein Margaretha ein Happy-End. Die beiden heirateten noch im selben Jahr und bekamen zwei Jahre später eine Tochter – das war Erwin Preiningers Mutter. Sie hat ihm eines Tages die alten Briefe ihrer Eltern geschenkt. Sie sind ein Schatz, findet er. Deshalb hat er die alte Schrift für seine Kinder und Enkel übersetzt. „Auch sie sind ganz begeistert davon“, sagt er. „Es ist ein interessanter Rückblick in die Geschichte ihrer Familie und zu ihren Wurzeln.“

Das Briefeschreiben ist etwas, das in seiner Familie nie ganz ausgestorben ist – trotz moderner Kommunikationsmittel. „Meine Frau hat unseren Kindern immer empfohlen, sich von neuen Bekanntschaften Briefe schreiben zu lassen, um daraus gewisse Schlüsse ziehen zu können“, berichtet Preininger. Ob die Bewerber genauso gute Worte fanden wie einst sein Großvater, ist ihm jedoch nicht überliefert. KATRIN WOITSCH

Artikel 5 von 11