Alle wollen an den Wörthsee

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

Wörthsee – Zum Badeparadies brauchen der elfjährige Arne und die siebenjährige Jule nur wenige Minuten. Die beiden wohnen in Wörthsee (Kreis Starnberg), zum Wasser haben sie es nicht weit. An diesem Vormittag sind sie mit ihrem Stand-up-Paddel-Board (SUP) am See. Auf dem Brett durch das Wasser zu gleiten, macht den Kindern genauso viel Spaß wie ihrem Vater Michael Heller. „Es ist gut für die Gesundheit und eine schöne Sportart“, sagt er. Sollte das Paddeln einmal nicht mehr erlaubt sein, dann fände er das sehr schade: „Vor allem für die Anwohner.“ Die Hellers gehen am liebsten am Morgen und am Abend an den See – dann ist nicht so viel los.

Denn auch am Wörthsee gibt es immer mehr Besucher – und damit immer mehr Konfliktpotenzial. Paddler, Segler und Schwimmer. Gäste und Einheimische. Es treffen viele Interessen aufeinander. „Manchmal frage ich mich schon, ob der Freizeitdruck auf den See nicht zu groß wird“, sagt Bürgermeisterin Christel Muggenthal. Andererseits: „Die Gastronomen leben von den Gästen.“

Die Gemeinde sucht nach Lösungen, die alle zufriedenstellen. „Wir müssen einen Ausgleich finden“, wünscht sich Muggenthal. Bretter mit Elektromotoren sind verboten. „Sie schädigen die Natur“, sagt Muggenthal. SUPs wiederum sind an einigen Stellen erlaubt. Auf einer Badewiese wurde gerade eine neue Regel eingeführt: Auf der einen Seite sollen die Paddler, auf der anderen die Schwimmer ins Wasser gehen. „So sollen alle zu ihrem Vergnügen kommen“, hofft Muggenthal. Die Bretter sollen nicht mehr auf der Liegewiese, sondern gegenüber aufgestellt werden. „Sonst ist auf der Wiese kein Platz mehr“,sagt Muggenthaler.

„Eine gute Lösung“, findet Tanja Speckmaier. Sie lebt ebenfalls in Wörthsee und paddelt gerne. „Auf dem See hat man seine Ruhe“, erzählt die 50-Jährige. „Es ist entspannend.“ Sie kann aber auch nachvollziehen, wenn sich jemand gestört fühlt, wenn Paddler zum Beispiel auf der Liegewiese die Luft aus ihrem Brett lassen: „Das ist schon sehr laut.“ Früher lebte Speckmaier in München: „Ich verstehe es, wenn die Leute aus der Stadt rausfahren“, sagt sie. „Dieses Jahr ist irre viel los.“ Für die Anwohner seien die zugeparkten Straßen und der Verkehr eine große Belastung.

Das beklagt auch Muggenthal. „Jedes Wochenende ist auf der Autobahn Stau. Die Einheimischen vermeiden schon Besuche.“ Ihr Anliegen: „Wir müssen die Leute dazu bringen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen.“

Jule Heuchert engagiert sich bei der Wörthseer Wasserwacht und hat schon bedenkliche Situationen erlebt: „Wir mussten schon Patienten mit dem Boot ans andere Seeende fahren, weil der Rettungswagen nicht durchgekommen ist“, berichtet sie. Diesen Sommer hatte die Wasserwacht bereits 29 größere Einsätze. „Letztes Jahr um diese Zeit waren es noch 18“, sagt die 25-Jährige. „Und das, obwohl wir heuer wegen der Corona-Krise vier Wochen später angefangen haben.“ Sie ruft zur Vorsicht auf: „Viele überschätzen sich“, sagt sie. „Ein Schwimmer kann topfit sein und trotzdem einen Krampf bekommen.“ Auch mit den Stand-up-Paddlern gebe es immer wieder gefährliche Situationen. „Vor allem, wer kein sicherer Schwimmer ist, sollte unbedingt eine Schwimmweste tragen“, rät sie. „Viele unterschätzen auch Sonne und Wind.“ Ein häufiger Fehler sei zudem, dass Paddler versuchen würden, unbedingt wieder zu ihrer Einstiegsstelle zurück zu gelangen – auch wenn die Kraft dazu fehlt. Und noch etwas hat sie beobachtet: „Viele achten nicht auf den Naturschutz.“ Heuchert hat deshalb einen Wunsch: „Wenn jeder ein bisschen Rücksicht nimmt und auf die anderen aufpasst, dann macht es allen mehr Spaß.“

Denn der Andrang auf den Wörthsee könnte weiter steigen: Im neuen Münchner Stadtteil Freiham entstehen derzeit Wohnungen für über 25 000 Menschen. Es gibt aber Überlegungen, in Freiham einen eigenen Badesee zu schaffen. Das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie soll dem Stadtrat voraussichtlich Ende 2021 vorgelegt werden.

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