INTERVIEW
Norbert Göttler ist Bezirksheimatpfleger des Bezirks Oberbayern. Er ist Experte für Brauchtum, für Heimat und natürlich auch für Hochzeiten.
Was war die schönste und prunkvollste Hochzeit, die Bayern je gesehen hat?
Die spektakulärste war wahrscheinlich die Landshuter Fürstenhochzeit im Jahr 1475, als Herzog Georg der Reiche die Tochter des polnischen Königs heiratete. Was dort an Ochsen, an Schweinen und Hektolitern Wein und Bier verzehrt wurde, war gewaltig.
Wie haben einfachere Leute früher geheiratet?
Es gab schon immer Großbauern und Wirte, die haben es auch gerne mit großen Festen krachen lassen. Vor dem 1. Weltkrieg gab es in Bayern eine Fülle von Hochzeitsritualen – viele davon waren geistabwehrende. Die Dachauer Braut hatte eine große Brautkrone, die hinten mit Spiegeln besteckt war. Bräute werden, so war der Glaube, gerne von hinten beäugt – und zwar auch von Hexen und Dämonen. Wenn die Hexen jetzt in die Spiegel schauen, sind sie entsetzt, was sie sehen. Und fliehen.
Gibt es andere bairische Bräuche?
Früher gab es den Hochzeitswagen, mit dem man vom Wohnsitz der Braut zum neuen Wohnsitz gefahren ist, manchmal über drei Dörfer. Zwei prächtige Pferde haben ihn gezogen, darauf war das ganze Mobiliar der Braut, Schränke, Kommoden und alles, was ihr gehörte.
Damit das ganze Dorf sehen konnte, ob die Dame eine gute Partie ist.
Ja, Hochzeit war schon immer ein Zeitpunkt, an dem man gezeigt hat, was man besitzt. Früher hat man auch eine wertvolle, irdene Schüssel unter das Fuhrwerk gelegt. Wenn das Rad die Schüssel zerdrückt hat, dann war es ein gutes Zeichen für die Hochzeit. Wenn die Schüssel weggeflutscht ist, war es ein schlechtes Omen. Ein anderer Brauch war das „Sachschaugn“. An den Tagen vor der Hochzeit wurde die Verwandtschaft eingeladen, um das neue Haus zu inspizieren, in das die Braut ziehen wird. Dort wurden alle Schränke geöffnet und alle Truhen. Die Leute haben reingefasst und geprüft, ob auch alles echt ist.
Hochzeiten waren schon immer kostspielig. Wer hat früher bezahlt?
In der Regel der Brautvater. Aber auch der Gast – per „Mahlgeld“. Man hat immer mehr bezahlt, als man verzehrt hat. Das Mahlgeld war auch ein Kredit für das junge Paar. Pro Großbauernhof war früher nur eine Person eingeladen. Deswegen hat der Bauer bei der Hochzeitsfeier ein Tuch dabeigehabt, das Bschoadtuch. Da hat er alles eingepackt, was am Ende noch da war. Bratenstücke, Kuchen, Kartoffeln, einfach alles. Das war für die Daheimgebliebenen. Durch die Umbrüche des 20. Jahrhunderts sind dieser und viele andere Hochzeitsbräuche verloren gegangen. Interview: Stefan Sessler