Olching/Karlsruhe – Eine Nacht im Juni 2018: Die Studentinnen Caro K. (28) und Franzi S. (27) öffnen mit einen Vierkantschlüssel den verschlossenen Container auf dem Gelände eines Supermarktes in Olching (Kreis Fürstenfeldbruck), packen weggeworfenes Obst, Gemüse und Joghurt in den Rucksack – und werden dabei von der Polizei erwischt. Es folgten eine Anzeige wegen Diebstahls und ein Rechtsstreit, der jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein Ende fand.
Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hatte die Studentinnen im Januar vergangenen Jahres zu acht Sozialstunden bei der Tafel verurteilt. Sollten sie noch einmal erwischt werden, wie sie entsorgte Lebensmittel aus Supermarkt-Containern nehmen, droht ihnen außerdem eine Geldstrafe von 225 Euro. Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte später dieses Urteil. Doch Caro K. und Franzi S. legten gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte Verfassungsklage ein.
Doch damit sind sie gescheitert. Der Gesetzgeber dürfe grundsätzlich auch das Eigentum an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen, teilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag mit. Damit bleibt das sogenannte Containern verboten. Für die beiden Studentinnen ist die Entscheidung eine Enttäuschung. „Wir hätten uns natürlich ein anderes Urteil erhofft“, sagt Franzi S. „Wir müssen uns jetzt erst einmal über die Tragweite klar werden.“ Bei ihrer Verfassungsklage beriefen sich die Studentinnen unter anderem darauf, dass im Grundgesetz der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen festgelegt sei. „Es ist schade, dass unser Verweis auf den Nachhaltigkeitsparagrafen zurückgewiesen wurde“, bedauert Franzi S. „Die Lebensmittelverschwendung ist eine enorme, nicht zu rechtfertigende Belastung für den Planeten.“
Auch die Verfassungsrichter deuten an, dass man den Umgang mit entsorgten Lebensmitteln auch anders regeln könnte. Es sei aber nicht Aufgabe des Gerichts zu prüfen, „ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat“. Initiativen, das Containern zu entkriminalisieren, seien bisher nicht aufgegriffen worden. Die Grundsatzentscheidung, hier vorrangig das Eigentumsgrundrecht zu schützen, sei nicht zu beanstanden.
Denn auch dafür gibt es gute Gründe, wie die Richter in ihrem Beschluss schreiben. Die Abfälle seien in einem abgeschlossenen Container auf dem Supermarktgelände gewesen. Ein vom Inhaber bezahlter Entsorgungsspezialist sollte sie abholen. Mit der Vernichtung habe der Eigentümer den Verzehr möglicherweise verdorbener Waren ausschließen und sich vor Haftungsrisiken schützen wollen. Diese Interessen seien grundsätzlich zu akzeptieren, so die Richter. Sie argumentieren außerdem, dass es genügend Möglichkeiten gebe, im Einzelfall der geringen Schuld des Täters Rechnung zu tragen.
Franzi S. und Caro K. betonen, sich auch künftig weiterhin gegen Lebensmittelverschwendung einzusetzen. „Wir versuchen, noch mehr Menschen darauf aufmerksam zu machen“, sagt Caro K. In einer Online-Petition fordern die beiden ein gesetzliches Verbot von Lebensmittelverschwendung. Sie möchten durchsetzen, dass Supermärkte wie in Frankreich verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel zu verteilen. Fast 165 000 Bürger haben bereits unterschrieben. „Jetzt liegt es an den politischen Akteuren, Initiative zu zeigen“, fordert Franzi S.
Für ihr Anliegen hätten die beiden in den letzten Monaten viel Zuspruch erhalten, erzählt Caro K. „Wir waren wirklich überwältigt von der vielen Unterstützung“, sagt sie. Auch wenn das juristische Verfahren nun an seine Grenzen gelangt sei, müsse der gesellschaftliche Wandel weitergehen.