Er war viele Jahre die Stimme der oberbayerischen Polizei: Hans-Peter Kammerer. Nach fast 43 Dienstjahren geht der 61-jährige Pressesprecher und Leiter des Präsidialbüros des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt in Pension. Eine der letzten Amtshandlungen des verheirateten Vaters zweier Kinder, der in Unterschleißheim lebt: ein Interview mit unserer Zeitung.
Herr Kammerer, nach fast 43 Jahren Polizeidienst gehen Sie in Pension. Wie hat sich der Beruf verändert?
Der Beruf und die Aufgaben selbst haben sich nicht verändert – Gefahrenabwehr sowie Verhindern und Aufklären von Straftaten. Verändert hat sich die Ausrüstung – beginnend vom Streifenfahrzeug, bis zu den Kommunikationsmöglichkeiten. Der technische Fortschritt ist überall sichtbar, bringt aber auch einen gesteigerten Fortbildungsbedarf mit sich. Die Tatbestände sind überwiegend die gleichen wie vor 43 Jahren. Das Internet hat vor allem die Trickbetrügereien verändert. Eine moderne Polizei muss auf die kriminellen Entwicklungen reagieren können.
Sie waren viele Jahre Pressesprecher, erst im Polizeipräsidium Oberbayern in München, nach der Reform dann in dem für Oberbayern-Nord in Ingolstadt. Wie hat sich der Journalismus verändert?
In erster Linie sehe ich die Veränderung in der Geschwindigkeit bei der Recherche und der Veröffentlichung. Der Videoproduzent und der Pressefotograf würden wohl am liebsten gleich mit der Polizeistreife verständigt werden. Der Druck auf die Pressestellen zur Sofortberichterstattung live oder in Online-Angeboten ist stark gestiegen. Der klassische Polizeireporter ist heute die Ausnahme. Zuletzt mussten wir auch auf die Sozialen Medien reagieren, etwa mit einer Facebookseite und einem Twitter-Account.
Welche Einsätze bleiben in Erinnerung?
Unvergessen sind der Amoklauf 1999 in Bad Reichenhall, bei dem vier Menschen starben. Zum Einsatzort fuhr ich aus der Oberpfalz von meinem Elternhaus aus. Die Flugzeugentführung 2004, als der Hijacker aus der Maschine gestoßen wurde, ereignete sich an meinem Geburtstag. Deshalb konnte erst später gefeiert werden. Die Amok-Lage 2002 in Freising, als ein 22-Jähriger zwei Arbeitskollegen und den Rektor der Wirtschaftsschule getötet hat, bevor er sich selbst das Leben nahm, bleibt unvergessen. Damals wurden erstmals freigegebene Videosequenzen vom Schultatort den Medien zur Verfügung gestellt. Nach wie vor in Erinnerung sind mir die zwei Geisellagen im Rathaus Ingolstadt und im Jugendamt Pfaffenhofen sowie die Explosion in einer Raffinerie in Vohburg voriges Jahr. Unvergessen bleibt auch eine Dienstreise 2015 zur Landespolizeidirektion Niederösterreich nach St. Pölten. Den Kollegen dort war es gelungen, die so genannte Froschbande in Wien festzunehmen. Wenige Tage zuvor waren die Täter in das Haus eines älteren Ehepaares bei Herrsching eingedrungen und hatten den Hausbesitzer auf brutalste Art getötet. Die Frau wurde, eingesperrt in einer Besenkammer, mit lebensbedrohlichen Verletzungen vom Postboten gefunden.
Sie waren auch beim Papst-Besuch 2006 im Einsatz.
Das stimmt. Ich werde nicht vergessen, wie wir seine Heiligkeit am Flughafen, in Freising und in Altötting im Rahmen eines Großeinsatzes hautnah begleiten konnten.
2015 sprachen Sie für die Polizei beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau.
Angesichts der herausragenden politischen Bedeutung des G7-Gipfels war von einem maximalen Informationsbedürfnis nationaler und internationaler Medien auszugehen. Meine Aufgabe war es, zunächst im Vorfeld im Team die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vorzubereiten, eine Pressestelle aufzubauen und die Betreuung der Medien zu gewährleisten. Während des Gipfels haben wir täglich Fragen zur Sicherheit und zu unserer Einsatztaktik beantwortet. Der überwiegende Teil der Bürger im Werdenfelser Land stand hinter der Polizei – ein wesentlicher Teil am Erfolg des Einsatzes.
An der 1992 neu geschaffenen damaligen Polizeidirektion Flughafen München waren Sie einer der Beamten und Pressesprecher der ersten Stunde. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Zunächst war es für mich eine willkommene Gelegenheit, nahe meinem Wohnort zu arbeiten. Es war klar, dass der neue Flughafen und Ereignisse hier für ein großes öffentliches Interesse sorgen würden. Ich konnte meine Erfahrungen aus der Pressestelle des Münchner Präsidiums einbringen. Dabei habe ich immer die ganz eigene, stets urlaubsnahe Atmosphäre ganz nahe an den zwei Startbahnen zur weiten Welt genossen.
Was werden Sie vermissen, was wird Ihnen überhaupt nicht abgehen?
Vermissen werde ich die vielen Gelegenheiten, bei Staatsbesuchen, sportlichen oder kulturellen Großveranstaltungen und politischen Spitzentreffen dabei sein zu können. Was mir genauso fehlen wird, sind die täglichen Lagebesprechungen im Team in partnerschaftlicher, bisweilen freundschaftlicher Atmosphäre und dem ein oder anderem lockeren Spruch. Weniger vermissen werde ich das Formulieren von Reden und Grußworten. Und ich kann gut damit leben, jetzt nicht mehr zu nächtlicher Stunde alarmiert zu werden, um eine Medienbetreuung bei großen Schadenslagen, Bränden, Geisterfahrerunfällen oder Tötungsdelikten sicherzustellen. Ganz gut kann ich auch auf kritische Nachfragen von Journalisten zur Personalverstärkung verzichten . . .
Würden Sie jungen Menschen empfehlen, Polizist zu werden?
Absolut! Mir hat der Polizeiberuf einen unwahrscheinlich abwechslungsreichen Alltag, der die Zeit manchmal „zum Fliegen“ brachte, geboten. Gerade der Polizeiberuf bietet ein Spektrum an Spezialisierungsmöglichkeiten wie kaum ein anderer. Egal, ob man in Uniform bei der Schutzpolizei oder zivil bei der Kriminalpolizei Dienst leistet, es ergeben sich unzählige Möglichkeiten, seine persönlichen Neigungen und Fähigkeiten beruflich auszuleben. Ich würde heute wieder genauso entscheiden.
Das Interview führte Hans Moritz.