Saulgrub – Es sollte ein Mädelsurlaub werden: baden, radeln, Pizza essen und einfach am See abhängen. Sechs Freundinnen aus Altenau bei Saulgrub (Kreis Garmisch-Partenkirchen) verbrachten eine Woche am Gardasee. Dafür hatten sie einen Bungalow auf dem Campingplatz bei Bardolino gebucht. Eine von ihnen war bereits 18 – sie übernahm die Aufsichtspflicht: Die junge Frau fuhr mit dem Auto und nahm zwei Mädchen mit. Johanna Kuschmierz, 16, ihre Freundin Katrin Schuster, 17, und ein weiteres Mädchen dagegen nahmen den Flixbus: für rund 30 Euro hin und zurück ab Innsbruck.
Die Hinfahrt Anfang August klappte reibungslos. Bis Innsbruck brachte sie eine ihrer Mütter mit dem Auto. Die drei Mädchen stiegen ein – die Mutter fuhr beruhigt nach Bayern zurück. Nach knapp einer Woche sollte es wieder nach Hause gehen. Doch an der Haltestelle in Bardolino gab es ein böses Erwachen: Der Busfahrer nahm die Minderjährigen nicht mit. Sie hätten angeblich keine gültigen Tickets. Der Mann ließ die Mädchen einfach an der Bushaltestelle stehen. Ebenso drei Burschen im selben Alter aus Murnau. „Da flossen bei mir dann einfach die Tränen, wir waren echt verzweifelt“, erzählt Johanna Kuschmierz.
Zuvor hatte es keine Probleme gegeben. Manuela Kuschmierz hatte die Tickets für ihre Tochter und die beiden anderen Mädchen gebucht. Und diese auch samt QR-Code mehrfach ausgedruckt. „Ich gehe bei solchen Dingen immer auf Nummer sicher“, sagt sie. Doch selbst das Papierticket half nichts. Mit der Busbegleiterin, die nur Italienisch sprach, kamen die Jugendlichen nicht weiter. „Die hatte ein Handy mit Scanner und konnten den QR-Code nicht einscannen“, sagt Katrin Schuster. Der Busfahrer stieg aus, er sprach etwas Deutsch. „Er sagte, wir hätten kein gültiges Ticket und dürften nicht mitfahren.“ Und das, obwohl Datum, alle Namen und Destination auf dem Papierausdruck mit offiziellem Flixbus-Logo standen. Als sie den Mann darauf hinwiesen, dass sie noch minderjährig seien, habe er geantwortet: „Euer Problem, nicht unser Problem.“
Zwei Tage vor der geplanten Heimreise hatte Manuela Kuschmierz eine seltsame Mail auf Englisch erhalten: Darin hieß es, dass sich ihre Buchung geändert habe – jedoch ohne Begründung, ohne nähere Hinweise, was zu tun sei. Im Anhang eine Storno-Rechnung über die drei Tickets und ein Gutschein über rund 50 Euro. Kuschmierz versuchte daraufhin, die Tickets neu zu buchen. Vergeblich, laut Flixbus-Webseite war der Bus voll. „Ich war ziemlich verwirrt und besorgt. Deswegen rief ich die Servicenummer an“, sagt sie. Der Flixbus-Ansprechpartner sagte ihr, alles sei in Ordnung mit der Buchung. Nur die Sitzplätze hätten sich geändert. Und er sagte: „Sie können Ihre Kinder bald in die Arme schließen.“ Die Mutter war beruhigt. Vor allem, weil sie am 12. August eine Bestätigung für die Fahrt am Folgetag erhielt. Mit den Worten: „Innsbruck erwartet dich!“
Doch es kam anders. In einer Nacht- und Nebelaktion mussten die Eltern ihre Kinder mit dem Auto in Italien abholen. Auch die Murnauer Burschen wurden von der Familie abgeholt. Erst gegen zwei Uhr nachts kamen die Altenauer Familien nach Hause. „Gott sei Dank hatten die Kinder ihre Handys dabei, sonst wäre das eine Katastrophe gewesen“, sagt Katrins Mutter Cornelia Schuster.
Kuschmierz bat Flixbus um Klärung. Bei der Telefonhotline sagte man ihr, dass nach Prüfung im Computersystem diese Tickets eingelöst und die Kinder mitgefahren seien. Die Mutter schrieb eine Beschwerdemail an Flixbus – keine Antwort. Erst auf Nachfrage unserer Zeitung gab es eine Auskunft: Die Fahrgäste, so heißt es in der Mail, seien am 11. August informiert worden, dass ihre Fahrt storniert wurde. Der Grund: Die italienische Regierung hatte zwei Tage zuvor entschieden, die Kapazitätsbeschränkung von 50 Prozent in öffentlichen Verkehrsmitteln wegen Corona wieder einzuführen. Davon waren auch getätigte Buchungen betroffen. Und die Fahrgäste hätten je einen Gutschein über den vollen Fahrpreis erhalten. Der Flixbus-Sprecher betont: „Dass der Mutter die Tickets rückbestätigt wurden, ist tatsächlich ein Fehler unseres Kundenservices, da die Stornierung zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen war.“ Einen Tag nach der Presseanfrage erhielt Manuela Kuschmierz eine Mail von Flixbus – mit einer Entschuldigung und einem Reisegutschein.
Dennoch kann die Mutter das Verhalten von Flixbus und dessen italienischen Partners nicht nachvollziehen. „Eine Stornierung kann in Zeiten von Corona vorkommen. Aber dann muss ein Reiseunternehmen Ersatzbusse einsetzen.“ Und Cornelia Schuster findet: „Es ist verantwortungslos, Minderjährige im Ausland einfach sich selbst zu überlassen.“
Der Flixbus-Fahrer sagte zu den Mädchen:
„Euer Problem, nicht unser Problem.“