München – Die Tagebücher des früheren Münchner Kardinals Michael von Faulhaber (1869–1952) sind nun um einen Jahrgang ergänzt worden. Seit Freitag sind die in schwer lesbarer Kurzschrift niedergeschriebenen Einträge zum Jahr 1948 online veröffentlicht (faulhaber-edition.de) – und wiederum bieten sich spannende Einsichten in Leben und Denken des Kirchenfürsten.
1948 war Faulhaber schon 79 Jahre alt. Er war gesundheitlich angeschlagen, aber nach wie vor äußerst agil. Das ganze Jahr über führte er im Bündnis mit dem bayerischen Klerus und dem erzkatholischen Kultusminister Alois Hundhammer (CSU) einen „zähen und letztlich überwiegend erfolgreichen Abwehrkampf“ gegen die Schulreformpläne der US-Besatzungsmacht, wie die Editoren schreiben. Ein weiterer Schwerpunkt: 1948 wird der Münchner Weihbischof Anton Scharnagl (Bruder des Münchner OB Karl Scharnagl) als Gestapo-Spitzel angeklagt. Der Verdacht belastet auch Faulhaber schwer – er muss im Spruchkammerprozess auftreten und ist froh, dass Scharnagl am Ende freigesprochen wird.
Auch an eher unerwarteter Stelle engagierte sich Faulhaber: Er setzte sich für die im Landsberger Gefängnis inhaftierten und zum Tode verurteilten NS-Kriegsverbrecher ein. Dass seit Ende der 1940er-Jahre eine breite Öffentlichkeit, bis hin zu SPD-Politikern, für die „Landsberger“ Partei ergriff, ist bekannt. Dass Faulhaber dazugehörte, ist neu. Ein Tagebuch-Eintrag vom 29. Oktober 1948 zeugt aber davon, dass er zumindest die Todesurteile für falsch hielt: „Bericht über Landsberg-Dachau“, heißt es da. „Hinrichtungen. General Clay hat den Stop aufgehoben. Jeden Freitag werden wieder zehn hingerichtet. Darüber Entsetzen, Eingabe an Truman (US-Präsident – Anm. d. Red.).“ Worauf Faulhaber anspielte: Mitte Oktober hatte nach einem Hinrichtungsstopp die Wiederaufnahme der Tötungen begonnen – nach einer Zählung des Historikers Thomas Raithel insgesamt 105 Personen bis März 1949, darunter viele aus KZ-Wachmannschaften.
Ob Truman wirklich einen Brief von Faulhaber erhalten hat, ist bisher nicht erwiesen, sagt Editions-Mitarbeiter Peer Volkmann vom Münchner Institut für Zeitgeschichte.
Es ist zu erwarten, dass die Tagebucheinträge ab 1949 mehr Aufschluss über dieses Engagement geben werden – eventuell auch darüber, ob Faulhaber über die hier sehr emsige Tätigkeit des katholischen Gefängnisgeistlichen in Landsberg, Karl Morgenschweis, informiert war. dw