München – Es gehört mittlerweile zum Alltag von Apotheker Peter Aurnhammer aus Ismaning (Kreis München): mit Ärzten, Patienten und Zulieferern nach Alternativen suchen, weil das benötigte Medikament derzeit nicht lieferbar ist. „Das ist ein Riesenaufwand“, sagt Aurnhammer. Aktuell sei etwa der Pneumokokken-Impfstoff kaum zu bekommen, auch bei einem Impfstoff gegen Herpes sei der Lieferengpass groß. Ein großes Thema der vergangenen Monate war zudem das Antidepressivum Venlafaxin. „Irgendwann standen wir komplett ohne das Medikament da. Das ging so weit, dass wir Patienten sagen mussten, dass sie sich bei ihrem Arzt auf ein neues Medikament einstellen lassen müssen.“ Ein massiver Schritt, bei so einer schweren Erkrankung. „Und die Situation wird von Jahr zu Jahr schlimmer.“
Aktuell listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 309 Lieferengpässe bei den rund 103 000 in Deutschland zugelassenen Arzneien auf. „Damit liegen wir zwar im Bereich der vergangenen Jahre. Aber die Tendenz ist seit einiger Zeit steigend“, sagt Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands. Betroffen sind diverse Wirkstoffe, vom Gürtelrose-Impfstoff bis hin zum Schmerzmittel. Das liegt vor allem daran, dass die Herstellung von Medikamenten extrem spezialisiert und globalisiert ist, aus Kostengründen wird immer mehr etwa in China oder Indien produziert. Wenn nun durch Handelsbeschränkungen oder andere Zwischenfälle die Produktion stockt, droht sofort ein Engpass.
Daher wurde zu Beginn der Corona-Beschränkungen eine Ausnahmeregelung getroffen, die den Apothekern bis heute sehr helfe, sagt Metz. Demnach ist es derzeit erlaubt, auch ähnliche Arzneien, etwa von anderen Herstellern, an die Kunden abzugeben, wenn das verschriebene Präparat nicht vorrätig ist – auch wenn es nicht von der Firma kommt, mit der die jeweilige Krankenkasse einen „Rabattvertrag“ hat. „Vorher mussten wir die Patienten teilweise noch mal zum Arzt schicken, weil wir statt der 100er-Packung nur zwei 50er-Packungen vorrätig hatten“, sagt Peter Aurnhammer. Ziel dieser Ausnahmeregelung war es, den Kunden einen zweiten Gang in die Apotheke zu ersparen und die Infektionsgefahr niedriger zu halten. „Unser Wunsch wäre, dass wir diese Regelung dauerhaft beibehalten können“, sagt auch Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer.
Der nächste größere Engpass könnte unterdessen schon im Herbst drohen. Denn aktuell läuft die Auslieferung des Grippe-Impfstoffs. „Bislang zeichnet sich noch kein Engpass ab“, sagt Metz. „Aber es hängt natürlich stark davon ab, wie viele Menschen sich in den nächsten Monaten tatsächlich gegen die Grippe impfen lassen wollen.“ Aurnhammer jedenfalls ist sich sicher, dass der Grippe-Impfstoff heuer knapp wird. Um solche Lieferschwierigkeiten dauerhaft in den Griff zu bekommen, müsse die Produktion wieder stärker zurück nach Europa geholt werden, sagt er. „Vielleicht können wir das aus der Krise lernen.“