München – Als Gerhard Langreiter am Mittwochabend die Nachricht las, dass die Seuche nun auch in Deutschland angekommen ist, hat er ziemlich schlecht geschlafen. Langreiter ist Ferkelzüchter in Oberneukirchen (Kreis Mühldorf). Für ihn könnte der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest massive Folgen haben – obwohl das infizierte Wildschwein mehr als 400 Kilometer Luftlinie entfernt entdeckt wurde.
Gestern bestätigte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) den ersten Fall von Afrikanischer Schweinepest in Deutschland. Im Brandenburgischen Spree-Neiße-Kreis unweit der polnischen Grenze war ein Wildschwein-Kadaver entdeckt worden. Das Friedrich-Loeffler-Institut bestätigte, dass das Tier infiziert war. In einem Radius von 15 Kilometern um den Fundort soll jetzt ein vorläufiges Gefahrengebiet eingerichtet werden. Dort soll ein Jagdverbot angeordnet werden, um Wildschweine nicht aufzuschrecken und auch ein Ernteverbot für Maisfelder ist möglich. Im benachbarten Polen grassiert das Virus seit Jahren. Das infizierte Wildschwein war offenbar schon vor einiger Zeit verendet, nun soll geprüft werden, ob sich das Virus in der Zwischenzeit weiter verbreiten konnte.
Schweinehalter in Deutschland fürchteten seit Langem, dass die Seuche die Grenze überqueren könnte. Für den Menschen ist das Virus völlig ungefährlich. Doch für Wild- und auch Hausschweine endet eine Infektion in den meisten Fällen tödlich. Das kann vor allem wirtschaftliche Folgen haben. Denn ein erheblicher Anteil des in Deutschland produzierten Schweinefleisches wird exportiert, darunter vor allem hierzulande unbeliebte Teile wie Ohren oder Pfoten. Da Deutschland nun aber seinen Status als „seuchenfrei“ verloren hat, könnte etwa China als Abnehmer wegfallen. Das Land ist selbst von der Seuche betroffen und war bislang der größte Importeur von deutschem Schweinefleisch. Klöckner betonte, dass der Handel innerhalb der EU weitgehend aufrechterhalten werden könne – hier gebe es nur Einschränkungen für das betroffene Gebiet in Brandenburg. Laut Ministerium ist aber davon auszugehen, dass Schweinefleischexporte besonders nach Asien weitgehend wegfallen dürften. Man sei in Kontakt mit mehreren Nicht-EU-Staaten, um regionale Beschränkungen zu vereinbaren. Südkorea kündigte bereits einen Importstopp an.
Für Ferkelzüchter Langreiter sind das keine guten Aussichten. „Der Corona-Lockdown und die Schließung bei Tönnies haben ohnehin schon kräftig auf unsere Preise gedrückt“, sagt er. „Wir hatten auf den Herbst gehofft.“ Doch jetzt droht der nächste Dämpfer. Dass Schweinefleisch aus Bayern größtenteils in EU-Länder exportiert wird, hilft wenig – wenn der Preis fällt, dann für alle.
Es müsse nun verhindert werden, dass das Virus in Bayern eingeschleppt werde, teilte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) mit. Der Freistaat sei gut gerüstet. Es seien rund 350 Kilometer Zaunmaterial beschafft worden, zusätzlich würden gerade Wildschutzzäune entlang der Bundesautobahnen in grenznahen Gebieten errichtet. Zudem bekommen Jäger in grenznahen Landkreisen zu Thüringen, Sachsen und Tschechien eine Aufwandsentschädigung von 100 Euro pro geschossenem Wildschwein. Auch eine Info-Hot–line für Fragen zum aktuellen Ausbruch wurde beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingerichtet (091 31/68 08 57 00).
Bei einem Schweinepest-Fall in Bayern drohen auch hier Restriktionszonen. Wird ein Hausschweinebestand befallen, müssen in der Regel alle Tiere getötet werden. Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) appellierte deshalb an Landwirte und Jäger, die Seuchenprävention ernst zu nehmen. Auch Reisende sollen Acht geben: „Um ein Einschleppen der Tierseuche zu vermeiden, sollte man auf das Mitbringen von Fleisch und Fleischerzeugnissen verzichten“, sagte Kaniber.
Gerhard Langreiter hofft, dass sich die Seuche nicht weiter verbreitet. Er selbst hat vorgesorgt. Er hat den Zaun um sein Grundstück verstärkt, damit keine Wildschweine in die Nähe seiner Tiere kommen, seine Hygieneschleuse zum Stall verbessert und eine zusätzliche Versicherung abgeschlossen. „Und alle Stallführungen für die nächste Zeit habe ich leider absagen müssen.“ Alles Maßnahmen, um zumindest etwas besser schlafen zu können.