Stunk um einen Ziegenbock

von Redaktion

VON MIRJAM UHRICH

Bayreuth – Zoltan ist ein stolzer Bock der Rasse Thüringer Waldziege. Aber: Er stinkt. Bestialisch – behauptet die Nachbarin. Tatsächlich darf der Bock mit seinen Duftstoffen die Nachbarin nicht wesentlich beeinträchtigen, verkündete das Landgericht Bayreuth gestern.

Schon seit Jahren hält eine Familie aus dem Landkreis Kulmbach nahe Bayreuth drei bis sechs Ziegen. Ihr Traum: Eine richtige Ziegenherde mit rund 40 Muttertieren und einem Bock. Also funktionierte sie vor knapp drei Jahren eine alte Scheune, die direkt an das Nachbargrundstück grenzt, zu einem Ziegenstall um.

Der Nachbarin stinkt das gewaltig. Vor allem bei schwülem Wetter und entsprechender Windrichtung habe es „sehr stark“ nach Ziegenbock gerochen. „Wäschetrocknen war nicht mehr möglich, man konnte sich auch nicht mehr vor dem Haus in den Garten setzen“, berichtet ihr Anwalt. Als Inhaberin eines Betriebs habe sie sogar Gespräche mit Kunden abbrechen müssen.

Die Nachbarin fand heraus, dass eine solche Nutzungsänderung erst genehmigt werden muss. „Wir wussten das nicht“, beteuert die Besitzerin der Ziegenherde. Der Gemeinderat habe ihrem Antrag einstimmig zugestimmt – „allerdings mit Hinweis auf immissionsschutzrechtliche Problematiken“, teilt der Bürgermeister mit.

Das muss die Baugenehmigungsbehörde prüfen, also das Landratsamt Kulmbach. Dabei ging es auch um die Frage, ob der Ort mit seiner Neubausiedlung überhaupt noch als Dorf durchgeht. Für eine Siedlung würden strengere Regeln für Lärm und Gerüche gelten. Plötzlich beschäftigte der Streit den ganzen Ort, Unterschriftenaktionen wurden gestartet, die Nachbarin erhielt anonyme Drohungen.

Aber damit nicht genug: Wegen eines einzigen Ziegenbocks schaltete die Behörde noch einen Umweltschutzingenieur und das Amt für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft ein. „Die Ziegenhaltung ist in allen Bereichen top“, betont Fachberaterin Renate Baierlein. „Der Ziegenbock war etwas abseits der Ziegen in weiterer Entfernung zur Nachbargrenze separat untergebracht.“

Mit der Entscheidung des Landratsamts sind beide nicht einverstanden. Die Ziegenhaltung ist demnach genehmigt – aber nur unter einer Bedingung: Die Tiere müssten auf einer Länge von 35 Metern sieben Meter Abstand zum Nachbargrundstück einhalten. „Das reicht hinten und vorne nicht“, sagt der Anwalt, der vor dem Verwaltungsgericht gegen den Bescheid vorgeht. „Das geht nicht“, meint auch die Ziegenhalterin, die gegen die Abstands-Auflage vor dem Verwaltungsgericht klagt. „Dann wären die Wirtschaftswege verbaut.“ Auch eine Verlagerung des Stalls auf dem etwa 40 000 Quadratmeter großen Grundstück, bei der sich die Nachbarin sogar beteiligen wollte, käme aus Kostengründen nicht infrage.

So scheiterten zahlreiche Gespräche und die Nachbarin startete das nächste Verfahren vor dem Landgericht, das ein Geruchsgutachten anforderte. Das Ergebnis: In Teilen des Nachbargartens überschreite der Geruch die üblichen Werte, am Wohnhaus sei er aber ertragbar. Tatsächlich habe der Gestank inzwischen nachgelassen, meint auch der Anwalt der Nachbarin. Der Prozess vor dem Landgericht sei trotzdem wichtig – weil die Gefahr bestehe, dass das Geruchsproblem erneut auftritt. Zu diesem Schluss kommt auch das Landgericht: Sollte Zoltan wieder stinken, droht seinen Haltern ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder eine Haftstrafe.

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