MASSGESCHNEIDERT

von Redaktion

Einen Teufel zerreißen, das klingt etwas ungewöhnlich, aber „an Deife zreißn“, das hört sich gut an! Jawohl: an manchen, leider viel zu seltenen Tagen fühlt man sich, als könnte man ihn, den Gehörnten, wirklich zerreißen. Besonders am Morgen, nach dem Erwachen, fühlt man sich dazu imstande.

Aber – wo steckt er? Doch nicht etwa in der eigenen Ehefrau, die gerade Semmeln und Leberstreichwurst für ihren Pascha holt, damit ihn seine Kräfte ja nicht frühzeitig wieder verlassen? Hier scheint jedenfalls erst einmal Zurückhaltung geboten!

Auch den Briefträger anzufallen wie ein wütender Dackel, ist nicht ratsam. Der Mann auf dem gelben Fahrrad ist schließlich alles andere als ein Sparifankerl und steckt Steuerbescheide, Handwerker-Rechnungen und Bauherrenmodell-Angebote auf Teneriffa zwar ungerührt, aber ohne jede böse Absicht in den Briefkastenschlitz. In Wahrheit lässt sich weit und breit kein richtiger Teufel ausmachen.

Der Spruch „Heit kaannt i an Deife zreißn“ verschweigt eben die logische Fortsetzung „wenn einer da wäre“. Und so muss die aufgestaute Energie, die unbändige Kraft, die sogar den Bösen besiegen könnte, zur Freude der Arbeitgeber auf die intensive Bewältigung der Tagesaufgaben umgepolt werden.

Leider hat sich die Arbeitswut erfahrungsgemäß nach etlichen Stunden (bei manchen ist es nicht einmal eine halbe) ausgetobt. Kurz vor dem Kantinengang könnte eine stattliche Anzahl von Deifezreißern nun ihrerseits bereits von einem unscheinbaren Schachterlteufel überwältigt werden.

Kontrastperson zum Deifezreißer am Morgen ist der Schlappmann oder, um auch Feministinnen zufriedenzustellen, die lahme Ente. Nicht einmal eine nasse Zeitung könnten diese müden Socken, Schlafhauben, herumstolpernden Bleichgesichter zerreißen!

Aber wartet nur! Gegen Mittag wachen sie langsam auf, und am Nachmittag sind nicht alle, aber doch einige von ihnen durchaus in der Lage, Hochleistungen zu vollbringen. So wie die Vollaktivierten vom Vormittag mit fortschreitender Zeit oft zu Herumhängern werden, fangen die zu Arbeitsbeginn lahmen Säcke am Nachmittag zu powern an – und die Arbeitswelt ist wieder in Ordnung, das Sozialprodukt kann, wenn auch nicht in Riesensprüngen, wachsen.

Wenn der Maßschneider ein Konzernherr wäre, würde er eine Mannschaft von Psychologen und Psychiatern (natürlich nicht von Psychopathen) beauftragen, eine Therapie zu erarbeiten, die es einerseits den Deifezreißern ermöglicht, ihre segensreiche Morgen-Motivation bis zum Dienstschluss aufrechtzuerhalten, und andererseits die Morgenmuffel durch welche Tricks auch immer anspornt, nach kurzer Anlaufzeit zu den Deifezreißern aufzuschließen und sie womöglich noch zu überholen.

Den Deife auf diese volkswirtschaftlich einmalige Art zu zerreißen, würde auf der ganzen Welt Beachtung finden, aber auch, insbesondere in Japan, blankes Entsetzen hervorrufen. Der Maßschneider überlegt daher immer noch, ob er seine schlitzäugige Idee zum Patent anmelden lassen soll oder nicht.

An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber

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