Die Frau mit dem Lächeln verlässt die Pforte

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

München – Das Herz von Hannelore Gimpel hat ganz stark geklopft, als sie zum ersten Mal das große Haupttreppenhaus hinaufgestiegen ist. Die imposante Halle, der rote Teppich, das Kreuz an der Wand – Gimpel war schwer beeindruckt. Über 13 Jahre ist es inzwischen her, dass ihr ehemaliger Chef sie an ihrem ersten Arbeitstag durch die Gebäude des Bayerischen Landtags geführt hat. Damals ging ihr vor allem eine Frage durch den Kopf: „Schaffe ich das auch alles?“

Heute wissen alle: Sie hat es geschafft – mit viel Menschlichkeit und noch mehr freundlichen Worten. Die 65-Jährige war viele Jahre die gute Seele an der Landtagspforte. Im April 2007 fing sie dort an, zwei Jahre später übernahm sie die Leitung der Pforte. Jetzt geht sie in den Ruhestand. Der Abschied fällt ihr schwer: „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt sie. „Es waren die 13 schönsten Arbeitsjahre in meinem Leben.“ Dabei war es nicht immer leicht für sie. Am Anfang war sie die erste und einzige Frau an der Pforte und musste sich in diesem männerdominierten Bereich erst einmal durchsetzen. „Aber dann war es super.“

Interessierte, besorgte oder verärgerte Bürger, Touristen, Journalisten, Politiker – jeder, der in den Landtag wollte, musste an Hannelore Gimpel vorbei. Und für jeden hatte sie ein Lächeln parat. „Das Wichtigste ist, zuzuhören, egal um was es geht“, sagt sie. Viele Besucher kamen zum Beispiel mit einer Petition oder einer Beschwerde – und mit einem großen Packen Sorgen. Eingangsstempel, Unterschrift und Uhrzeit reichen dann nicht aus. Genauso wichtig sind Verständnis, Sensibilität und Freundlichkeit. „Bei ihren Problemen konnte ich den Leuten zwar nicht weiterhelfen“, sagt Gimpel. „Aber ich habe es immer geschafft, sie zu beruhigen.“ Viele Schicksale ließen auch sie persönlich nicht kalt. „Manchmal habe ich selbst mit den Tränen gekämpft“, erzählt sie. „Vor allem, wenn Kinder betroffen waren.“ In einigen Fällen erfuhr Gimpel kurze Zeit später, wie der Termin im Landtag gelaufen ist. „Manchmal kamen die Leute mit einem Lächeln zurück.“

Auch viele Politiker freuten sich über einen kurzen Ratsch an der Pforte. Gimpel kannte alle mit Namen. „An der Pforte braucht man ein gutes Personengedächtnis“, sagt sie. „Man sieht die Abgeordneten einmal und dann muss man wissen, wer sie sind.“ Vor der Arbeit im Landtag, erzählt sie, habe sie nie etwas mit Politik zu tun gehabt. „Danach habe ich die Politik mit ganz anderen Augen gesehen.“ Debatten, Entscheidungen und Meinungen spielten an der Pforte trotzdem keine Rolle. „Das war eigentlich kein Thema“, berichtet Gimpel.

Ihre Aufgabe war es schließlich, sicherzustellen, dass niemand gefährliche Gegenstände mit in den Landtag nimmt. „Die meisten Leute haben Verständnis dafür“, sagt Gimpel. Bei den Kontrollen hat sie in den Taschen der Besucher schon vieles entdeckt: Scheren, Pfefferspray, Messer und eine Gabel fürs Mittagessen zum Beispiel. „Eine Dame hatte eine Plastiktüte mit drei großen Schraubenziehern dabei“, erzählt Gimpel. Die musste die Frau natürlich zurücklassen. „Sie konnte sie später wieder abholen.“

Sie weiß: Sie wird diese Erlebnisse, die Leute, ihre Sorgen und Geschichten vermissen. „Ich bin schon ein bisschen traurig“, sagt sie. Ganz wird die 65-Jährige die Landtagspforte deshalb nicht verlassen. Als Aushilfe springt sie weiter ein – natürlich immer mit einem Lächeln.

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