München – Strumpfhose, Clown-Maske, Motorradhelm: Kriminelle haben sich schon alles Mögliche über den Kopf gezogen, um nicht erkannt zu werden. Nun, da ein Mund-Nasen-Schutz zum Alltag gehört, stellt sich die Frage: Spielt die Maskenpflicht zum Eindämmen des Coronavirus Straftätern in die Hände – vereitelt sie vielleicht sogar die Verbrechensaufklärung?
Corona-Alltagsmasken erschweren zwar die Gesichtserkennung von Tätern oder Verdächtigen, sagt Bernhard Egger, Abteilungsleiter beim bayerischen Landeskriminalamt. Das bedeute aber nicht, dass sie eine Identifizierung automatisch verhinderten. Bei der Gesichtserkennung komme es immer auf die Qualität des vorhandenen Bildmaterials an, erläutert Egger. Auf die Entfernung der Kamera zur abgelichteten Person zum Beispiel oder auf die Pixelzahl. Wichtig sei vor allem auch die Augenpartie. „Natürlich: je besser das Bild, umso wahrscheinlicher die Identifizierung“, sagt der Experte des LKA in München, wo die Ermittler viel mit speziellen Gesichtserkennungsprogrammen arbeiten und sich dabei in einer Vorreiterrolle sehen. Die Software sei in den vergangenen Jahren immer besser geworden. Und es gebe auch Bilder mit Masken, bei denen die Täter identifiziert worden seien, berichtet er.
Bilder haben eine wachsende Bedeutung bei der Ermittlung von Tatverdächtigen. Eine deutschlandweite Polizei-Datenbank ist mittlerweile mit mehr als 5,8 Millionen Aufnahmen von etwa 3,6 Millionen erfassten Straftätern oder Beschuldigten gefüllt. Zehntausende Recherchen werden nach Angaben des Bundeskriminalamtes pro Jahr mit einem Gesichtserkennungssystem durchgeführt. Vergangenes Jahr seien damit mehr als 2100 Personen identifiziert worden.
Liegt ein Bild eines mutmaßlichen Täters vor, wird dieses mit den Millionen gespeicherten Bildern der Datenbank abgeglichen. Die Arbeit übernimmt ein Algorithmus. „Es wird ein Muster berechnet und die Software liefert Vorschläge“, erklärt Egger. Ausgebildete Lichtbildexperten überprüfen dann die ausgespuckten Fotos infrage kommender Personen, ob wirklich ein Treffer dabei ist.
Zwar erschwere das Tragen von Schutzmasken das Wiedererkennen von Tatverdächtigen. „Allerdings lassen Aufnahmen von Überwachungskameras grundsätzlich auch andere Merkmale zur Identifizierung zu“, erklärt ein LKA-Sprecher. Beispielsweise Größe, Statur, Kleidung, Schuhe, die Fluchtrichtung sowie mögliche Mittäter. „Videoüberwachungssysteme sind auch zu Pandemie-Zeiten ein wirksames Mittel zur Aufklärung von Straftaten.“
In Geschäften, in Bussen und Bahnen, manchmal auch auf der Straße – derzeit fallen an Orten eher die Menschen auf, die unmaskiert unterwegs sind. Machen sich Kriminelle die Maskenpflicht daher ganz bewusst zunutze, um Straftaten zu begehen? Die Ermittler bekommen zwar Bilder und Videos, auf denen zum Beispiel Ladendiebe mit Masken zu sehen sind, berichtet der Leitende Kriminaldirektor Egger. „Aber wir haben jetzt keine Hinweise, dass die Maske bewusst in Bereichen getragen wird, wo sonst keine Maskenpflicht wäre, um eine Straftatenverfolgung zu verhindern oder zu erschweren.“ Es gebe auch keine Hinweise, dass die Pflicht ausgenutzt werde, um vermehrt Delikte zu begehen. Die Polizei registriere in einigen Bereichen derzeit sogar sinkende Fallzahlen.