UNTER MEINEM WEISS-BLAUEN HIMMEL

Der Jägersmann und das Fräulein werden in Rente geschickt

von Redaktion

VON CAROLIN REIBER

„Wer sich an das Absurde gewöhnt hat, findet sich in unserer Zeit gut zurecht.“ Ein Zitat des französischen Dramatikers Eugene Ionesco. Tatsächlich scheint momentan vieles seltsam, und kaum einer bezweifelt, dass es vermutlich nie wieder die Welt sein wird, die wir kannten. Andererseits hat auch meine Großmutter schon geklagt, dass früher alles schöner und besser war.

Den Beweis, wie schnell man aus seiner Zeit fallen kann, liefert der neue Duden, der umfangreichste, den es jemals gab. 1264 Seiten zwischen zwei Buchdeckeln, 5000 neu aufgenommene Wörter. Es ist noch gar nicht lange her, da hätten die meisten von ihnen Rätsel aufgegeben: Herdenimmunität, Fridays for Future, Männerdutt, liken, leaken, Whatsapp-Gruppe.

Verschwunden sind die Vorführdame, das Schnürleibchen, der Jägersmann, der Aufgebotsschein. Erschrecklich? Nein – dieses Wort ist auch gestrichen. Überlebt hat die Wählscheibe, der Fernsprechanschluss musste weichen. Das „Fräulein vom Amt“ ging schon 1966 in Rente.

„Der Teilnehmer ist friedlich, wenn ihm aus dem Telefon eine Frauenstimme entgegen tönt“, kann man in Archiven nachlesen. Unbescholten, gebildet, aus gutem Haus mussten die Damen sein – und vor allem unverheiratet. Obwohl man sie nie zu Gesicht bekam, war gepflegtes Aussehen Bedingung. Ganz im Gegensatz zum krisenbedingten Homeoffice, wo Jogging-Anzüge zum Einsatz kommen. Wollen wir hoffen, dass Karl Lagerfeld mit seiner Aussage danebenlag: „Wer Jogging-Hose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“

Apropos Homeoffice: Die Öffnung der Kindergärten und Kindertagesstätten wurde von Eltern sehnsüchtig erwartet. Eigentlich höre ich immer nur den Begriff „Kita“, obwohl meistens der gute alte Kindergarten gemeint ist, der traditionell am 1. September seine Tore öffnet. Weltweit besuchen die Kleinen die segensreiche Einrichtung und benennen sie mit diesem deutschen Wort. Aus gutem Grund. Es war der Thüringer Pädagoge Friedrich Fröbel, der 1845 in Gotha den ersten richtigen Kindergarten gründete.

Das Lieblingsnachschlagewerk der Deutschen – ein Spiegel der Zeit. Hinter dem Wort „Fräulein“ steht schon lange „veraltet“ und als Randbemerkung: „Die Anrede Fräulein ist nur noch üblich, wenn die angesprochene Frau diese Bezeichnung selbst wünscht!“

Ich persönlich find’s schade und kann es auch nicht ganz verstehen. Was ist daran diskriminierend? Das Argument, schließlich gäbe es auch kein „Herrlein“, ist ein albernes. Erinnerungen werden wach an alte Schlager, ich habe sie noch im Ohr: „Hallo, kleines Fräulein, haben Sie heut Zeit?“ Bei Chris Howland wurde daraus ein Fraulein…

Weltstar Liz, immerhin acht Mal verheiratet, blieb bis zu ihrem Tod 2011 Miss Taylor. Mademoiselle – auch charmant. Französinnen freuen sich darüber. Sie empfinden diese Anrede als Kompliment, impliziert sie doch, dass man sich auch in fortgeschrittenen Jahren seine jugendliche Ausstrahlung bewahrt hat und nicht aussieht wie eine behäbige Matrone.

Lassen wir uns von der nächsten Dudenauflage überraschen. Zu neuem Leben wird mein Fräulein aber sicher nicht mehr erweckt.

In diesem Sinn –

herzlich

Ihre Carolin

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