„Wir lassen die Landwirte nicht allein“

von Redaktion

INTERVIEW Jägerchef Thomas Schreder über den Umgang mit der Schweinepest

München – Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat Deutschland erreicht, in Brandenburg wurden mehrere infizierte Wildschweine gefunden. Nun sollen die Jäger bei der Eindämmung der Seuche helfen. Bayerns Jagdverbandschef Thomas Schreder erklärt, wie seine Kollegen jetzt vorgehen und wie jeder Einzelne helfen kann.

Herr Schreder, was war Ihr erster Gedanke, als Sie gehört haben, dass die ASP Deutschland erreicht hat?

Auch wenn viele Experten gesagt haben, dass es nur eine Frage der Zeit war: Ich mache mir große Sorgen. Ich komme aus einer Familie, in der Schweine gehalten werden, deswegen kann ich die wirtschaftlichen Folgen sehr gut abschätzen. Und als Biologe und Jäger treiben mich natürlich die Wildtiere um, die an dieser Krankheit sterben. Jetzt gilt es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die Afrikanische Schweinepest nicht nach Bayern gelangt. Das wird zwar den Schweinehaltern nur teilweise helfen, aber den Wildtieren umso mehr.

Hat der Ausbruch Folgen für Bayerns Jäger?

Für die Jagd in Bayern hat das derzeit keine Auswirkungen. Wir sensibilisieren unsere Jäger aber dafür, dass sie die Jagd auf das Schwarzwild weiter ausweiten und mit offenen Augen durch ihr Revier gehen. Auf den Hegeschauen sind unsere Jäger in den vergangenen zwei Jahren gut informiert worden, auf was sie achten müssen. Etwa, wenn sie ein totes Wildschwein entdecken oder nach einem Abschuss beim Aufbrechen Auffälligkeiten an den inneren Organen feststellen. Dann wird natürlich das Handy gezückt und das Veterinäramt angerufen. Wir sind gut vorbereitet.

Muss mehr Schwarzwild geschossen werden?

Wir tun alles, um unsere Jäger dazu zu motivieren. Aber man darf nicht vergessen: Wir haben unsere Jagdstrecke von 65 000 Abschüssen im Jagdjahr 2018/19 auf 112 000 Schweine im vergangenen Jahr gesteigert. Unsere Jäger waren extrem fleißig. Und zwar mit einer tierschutzgerechten Jagd – nicht etwa, indem wir alles geschossen haben, was da ist. Das zeigt: Die Motivation, die Ausbreitung einzudämmen, ist da. Wir lassen die Landwirte nicht allein. Ob wir die Jagdstrecke noch weiter steigern können, hängt auch davon ab, ob die Schwarzwild-Population das überhaupt hergibt.

Und das Wild muss ja auch verwertet werden.

Das kommt noch hinzu. Mit Wildbret ist aktuell kein müder Heller verdient. Erst ist wegen der Pandemie die Gastronomie als Abnehmer weggebrochen, jetzt schreckt viele allein der Begriff Schweinepest ab – obwohl wir noch keinen Fall in Bayern haben und der Verzehr von Wildbret für den Menschen völlig unbedenklich ist. Kein Jäger gibt etwas ab, das nicht einwandfrei ist. Deswegen unser Appell: Heimisches Wildbret kann man weiterhin guten Gewissens verzehren.

Die Staatsregierung bietet Jägern in grenznahen Gebieten eine Aufwandsentschädigung von 100 Euro pro geschossenem Wildschwein. Die SPD fordert das für ganz Bayern.

Das habe ich beim Umweltminister schon vor geraumer Zeit angeregt. Denn das Virus kann sich ja nicht nur durch Wildtiere verbreiten, sondern auch durch den Menschen, zum Beispiel durch mitgebrachte Fleischabfälle. Somit reicht es nicht, nur die Wildbestände an Bayerns Grenzen im Blick zu behalten. Die Aufwandsentschädigung gleicht die niedrigen Verkaufspreise aus – und die viele Zeit, die eine Wildschweinjagd in Anspruch nimmt.

Tschechien gilt mittlerweile wieder als ASP-frei – nachdem dort sogar Polizei-Scharfschützen zur Wildschweinjagd abgestellt wurden. Halten Sie solch rabiate Maßnahmen bei uns auch für denkbar?

Das sind extreme Methoden, die mit der Jagd nichts zu tun haben – da kommt das Seuchenrecht zur Anwendung. Aber die Tschechen haben es geschafft, dadurch wieder ASP-frei zu werden. Deswegen beobachten wir das sehr genau. Wir könnten solche Maßnahmen nur flankieren, am Ende muss die Staatsregierung entscheiden, was notwendig ist.

Wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass sich die ASP nicht verbreitet?

Wichtig ist, dass sich Reisende informieren. Wer aus einem ASP-Gebiet kommt, sollte keine Lebensmittel mit nach Bayern bringen, die das Virus verbreiten könnten. Wer in ASP-Gebieten im Wald unterwegs ist, sei es bei der Jagd oder beim Spaziergang, sollte nicht am Tag drauf mit denselben Gummistiefeln durch den Wald in Bayern laufen. Das sind ganz banale Dinge, auf die man achten kann. Zweiter Punkt ist die Akzeptanz: Wir versuchen mit allen waidgerechten Mitteln das Wild zu bejagen. Dazu gehört auch, dass mal ein Waldstück oder eine Straße für eine Treib- oder Drückjagd gesperrt ist. Da bitten wir um Verständnis. Auch wenn manche das nicht einsehen – das ist aktive Seuchen-Prophylaxe.

Wird es sich vermeiden lassen, dass die ASP Bayern erreicht?

Von der Glaskugel nehme ich als Wildbiologe lieber weiten Abstand. Ich hoffe sehr, dass wir es verhindern können. Aber auszuschließen ist es natürlich nicht. Klar ist nur: Wir Jäger alleine schaffen es nicht. Wir brauchen die Landwirte, die Behörden und die Bevölkerung dazu.

Interview: Dominik Göttler

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